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Rezension: Die Farbe in der Malerei (Gebundene Ausgabe)

Der Kunsthistoriker Hajo Düchting befasst sich in diesem beeindruckenden Buch mit den Farben in der Malerei. In seiner Einführung stellt er zunächst die Frage, was man unter Farbe zu verstehen hat.
Er wartet mit den Antworten von Naturwissenschaftlern auf, bringt Newton ins Spiel und dessen berühmte prismatischen Versuche. Auch Goethe lässt er nicht unerwähnt, für den das Licht etwas Göttliches und die Farben dessen Abglanz waren, unteilbar erhaben, entstanden aus dem Urkonflikt, dem Kampf zwischen Licht und Finsternis.

Düchting lässt bei der theoretischen Betrachtung der Farben natürlich auch die Maler zu Wort kommen.
Für Cezanne waren Farben " leibhaftige Ideen, Wesen reiner Vernunft ", welche aus der Tiefe der Welt an die Oberfläche steigen, um für den Betrachter sichtbar zu werden. Thematisiert wird auch die Farbbetrachtung des Künstlers Itten. Sein Werk die " Kunst der Farbe "( 1962) zählt bis heute zu den Standartwerken über Farbe.

Düchting untergliedert sein Buch in die Kapitel Rot, Blau, Gelb, Violett, Orange, Grün und Weiss, Schwarz, Grau. Rot gilt ihm als die " Königin der Farben " und zwar deshalb, weil sie andere Farben dominieren kann. Außer Blut und Feuer kennt die Farbe Rot noch andere Assoziationen. Düchting führt " Liebe, Vitalität, Lebensfreude, Nähe, Sinnlichkeit , Sexualität, Leidenschaft, Sünde, Erregung, Macht aber auch Würde, Aufruhr, Rebellion und Krieg an. "

Der Autor geht auf verschiedene Gemälde, in denen die Farbe Rot vorherrscht ein : Franz Marcs " Kämpfende Formen " gehören dazu, auch das " Portrait von Anita Berber " von Otto Dix. Düchting hält fest, dass unsere Vorfahren bereits in der Antike von der Farbe Rot fasziniert waren und man mit ihr damals am häufigsten malte und dekorierte. Im Altertum war der wichtigste Rotlieferant übrigen die Purpurschnecke.
Man wird mit dem roten Ocker vertraut gemacht, den man bereits bei der Höhlenmalerei für kreatives Tun nutzte und man liest von Zinnober, der nach Meinung Goethes sich " wirklich ins Organ einbohren kann ". So hält er seinen Eindruck zumindest in seiner Farbenlehre fest.

Im Mittelalter diente als Ersatz von Zinnober auch Bleimennige, dessen gelbroter Ton an Zinnober erinnert.
Düchting zeigt wie die Farbe Rot in Gemälden zwecks mythischer Bildgestaltung verwandt , aber auch benutzt wird , um Leidenschaft auszudrücken. Van Gogh , in dessen " Das Nachtcafé an der Place Lamartine " Rot dominiert, hat mit Farben bestimmte Emotionen verbunden, nicht selten die tragische Leidenschaft von Menschen. Thematisiert werden des Weiteren das aggressive Rot bei Paul Gaugin, Rausch und Ekstase in Rot bei Emil Nolde, in Rot versinken bei Gotthard Graubner und schließlich das reine Rot der Moderne am Beispiel Rupprecht Geigers.

Blau gilt von Alters her als die Farbe des Himmels, der Meere und der Seen , allerdings auch der tiefen Abgründe. Düchting unterstreicht, dass Blau die Farbe des Wunderbaren und Unergründlichen, des Begehrens und der Erkenntnis ist, gleichwohl auch der Schwermut und Melancholie. Der Autor erinnert daran, dass in der Romantik die " Suche nach der blauen Blume " im Vordergrund stand. Hier ging es um die Erlösung von irdischer Schwere.

Man liest in der Folge, dass Blau einst ebenso wertvoll war wie Gold, was Albrecht Dürer mehr als einmal beklagte, obschon die alten Ägypter bereits das erste künstliche Blau aus Sand, Soda und Kalk herstellen konnten. Zur Sprache kommen in der Folge das edle und heilige in Blau bei Jan van Eyck, das dunstige Himmelblau bei Leonardo da Vinci. Dieser Künstler konstatierte: " Ich sage, dass das Blau der Luft nicht ihre eigene Farbe ist, sondern von der warmen Feuchtigkeit verursacht wird, die in kleinsten nicht wahrnehmbaren Teilchen verdampft, diese werden von den Sonnenstrahlen getroffen und dann leuchten sie unter der grenzenlosen Finsternis der Region des Feuers, die sie von Außen zudeckt."

Das kostbare Blau Van Meers, die blaue Stunde der Impressionisten, aber auch Blau als Symbolfarbe werden ebenfalls thematisiert. Franz Marc und Wassily Kandinsky erfanden den Namen " Der Blaue Reiter " .Für Kandinsky war Blau auch die Farbe des Geistigen, der Vertiefung und Verinnerlichung. Er hält fest " Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm Sehnsucht nach Reinem und Schließlich Übersinnlichem. Es ist die Farbe des Himmels, so wie wir ihn uns vorstellen, bei dem Klange des Wortes Himmel. Blau ist die typisch himmlische Farbe.

Die breite Palette des Blaus in der Moderne wird nicht ausgespart, Picasso, Ernst Ludwig Kirchner spielen hier eine Rolle und es wird am Beispiel Yves Kleins das spirituelle Blau gezeigt. Um die geistige Energie in den Raum zu übertragen, kreierte Klein plastische Objekte, wie die blau eingefärbten Schwammobjekte und Gipsabgüsse von Menschen. Wie beeindruckend sein Werk ist, konnte ich bei der Ausstellung seiner Werke in der " Schirn " in Frankfurt vor einigen Jahren nachvollziehen. Gelb gilt als kapriziös, geheimnisvoll, drohend, warnend, heilig, irrsinnig. Der Maler Franz Marc assoziiert mit dieser Farbe " das weibliche Prinzip, sanft, heiter , sinnlich ". Als Komplementärfarbe zu Violett stiftet Gelb Versöhnung , Frieden und Trost.
Düchting klärt ausführlich über das Herstellen dieser Farbe auf. Ocker zählt zu den bevorzugten Gelbtönen, ob als Fresko, in Tempera oder in Öl.

Man wird über das stimmungsvolle, ambivalente Gelb , beispielweise bei Rembrandt informiert und liest begeistert die Botschaft William Turners " Die Sonne ist Gott " . Turner zählte übrigens zu den Künstlern, die Goethes Farbenlehre aufnahmen und in ihren Bildern umzusetzen suchten. Die elementare Symbolik von Gelb bei Kirchner und van Gogh bleibt nicht ausgespart, auch nicht der Klang der Farben bei Kandinsky.
Hervorheben möchte ich die Betrachtungen mit der Kopfzeile " Hymnen an das Licht ". Die Maler Heinz Kreutz und Willem de Kooning visualisieren dieses Anliegen. Die "Sonnenhymnen " von Heinz Kreuz verweisen auf ein spirituelles Verhältnis zum Licht, als eigentlichen Schöpfer allen Lebens auf der Erde.
Schließlich wird auch noch Gelb als universelles Ausdrucksmittel thematisiert.

Violett ist eine Farbe voller Ambivalenz, eine mystische Farbe mit zwei Gesichtern. Düchting schreibt, dass sie Geist, Intelligenz, Wissen, religiöse Hingabe, Heiligkeit, Demut, Mäßigung, Nüchternheit, Buße und Trauer symbolisiert. Sie transportiert die dunkle Seite der Fantasie, die Sehnsucht nach Magie, selbst um den Preis der Verdammnis. Man lernt bei Peter Brueghel d. Ä. Violett als Schicksalsfarbe kennen und bei Anselm Feuerbach als verhaltene Leidenschaft und tiefes Leid. Der Autor erklärt die Gründe für die Violett-Manie der Impressionisten und das unheimliche und verlockende Violett bei Edvard Munch sowie bei Paul Gaugin. Übersinnlich und kosmisch erscheint das Violett bei Johannes Itten und Paul Klee.

Schließlich dann eine meiner Lieblingsfarben: Orange. Sie ist die Farbe des Vergnügens, der Leichtigkeit, der Geselligkeit und der Lustigkeit. Unglaublich, vor der Einführung der Orange gab es keinen Farbton mit dem Namen Orange. Positive Gefühle werden durch die Farbe Orange geweckt. Es handelt sich um die Kombination von Licht und Wärme, nicht so grell wie Gelb und nicht so schwer wie Rot. Man erfährt aus welchen Rohstoffen Orange gewonnen wird und lernt textlich die Farbe als Lebensspender, aber auch als Komplementärfarbe zu Blau kennen. Cezannes " Stillleben mit Äpfeln und Bisquits " ist hier beispielgebend. Orange als Ausdruck von Lebensfreude und Vitalität bei Delaunay wird thematisiert, aber auch die andere Seite des Orange, die kranke psychische Störungen aufweisende, wie in " Der Schrei " von Munch wird nicht ausgeklammert.

Grün ist der Zündstoff der Natur , die Farbe unzähliger Kräfte und Formen. Sie ist der Bote, der zugleich Erneuerung und Fortpflanzung ankündigt, gleichwohl aber auch Gebrechlichkeit und Krankheit. Auch hier erfährt man wie in den zurückliegenden Zeiten aber auch heute diese Farbe herstellt, lernt anhand von Gemälden die Symbolfarbe und Naturgrün kennen, wird mit sanften und satten Grüntönen vertraut gemacht und kann sich in das impressionistische und surrealistische Grün vertiefen. Grün als Kontrastfarbe bei Max Pechstein und Grün als Alltagsfarbe bei Tamara de Lempicka machen deutlich, dass uns Grün überall entgegentritt. Grün ist eben das Leben und letztlich auch die Hoffung. Die Farben Weiß, Schwarz und Grau sind Unbuntfarben, wie Düchting es ausdrückt. In fast allen Farblehren werden sie als gleichwertige Partner der Buntfarben behandelt. Die Symbolik dieser Farben wird sehr gut beschrieben, auch darauf hingewiesen, dass Bleiweiß schon immer das wichtigste Weiß verkörperte.

Schwarz ist die Farbe des Todes, der Nacht, der Magie und des Unglücks, tiefenpsychologisch ist sie die Idee des Nichts. Grau ist die die Farbe aller trüben Gefühle, letztlich ist sie die Farbe der Depression. Weiß gilt als Farbe der Offenheit und Freiheit. Man lernt die Nuancen des Weißes in der Malerei kennen. Es wird dokumentiert wie ausdrucksstark Weiß sein kann und wie sich Weiß in der Moderne ausdrückt.
Schwarz als Ausdruck von Wärme wird in Manets " Das Frühstück im Atelier " dokumentiert. Die kosmischen Dimensionen des Schwarz kommen bei Baumeister zum Ausdruck und in einem der berühmtesten Bilder der Kunstgeschichte- Pablo Picassos " Guernica " wird das Grauen in Grau dargestellt.

Zum Ende des Buches wird man sehr gut über die Geschichte der Farbenlehre aufgeklärt und nimmt aufgrund dessen Gemälde unter völlig anderen Gesichtspunkten wahr wie als unbedarfter Besucher von Gemäldegalerien. Die Farben und Formen sind das wohldurchdachte Wechselspiel eines gelungenen Gemäldes.

Neben den klugen, erhellenden Texten im Buch darf man sich vieler Gemälde namhafter Künstler erfreuen.




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