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Rezension: Theodor de Bry- Amerika- Sämtliche Tafeln 1590-1602 -TASCHEN

Michiel van Groesen, der Herausgeber dieses Prachtbandes nennt die De Brys America-Serie- Ein Meisterwerk der Reiseliteratur. Diese Sammlung besteht aus 25 Bänden im Folioformat und wurde zwischen 1590 und 1634 von Theodor de Bry und seinen beiden Söhnen auf den Weg gebracht. 

Die Kombination von Reiseberichten und hochwertigen Kupferstichen machten die Serienedition schon rasch zum geschätzten Sammlerobjekt. Vollständige De-Bry-Sammlungen sind mittlerweile fast ausschließlich in wissenschaftlichen Buchhandlungen zu finden. Bei Versteigerungen erzielt ein gut erhaltener Satz der America-Serie einen Preis von bis zu 500.000 US-Dollar. 

Die vorliegende TASCHEN-Edition der De Bry-Reiseberichtsammlung umfasst die ersten neun Bände der America-Serie. Diese gelten als die besten der Serien und sind als Einheit zu begreifen und auch zu lesen. Sämtliche Aspekte der Sammlung sind in der harmonische Abfolge der ersten neun Bände ersichtlich.

Des Weiteren wird der Hintergrund der Familie de Bry, die einzelnen Entstehungsabschnitte der Buchserie, die von den Brys allmählich entwickelte verlegerische Strategie und der Mitarbeiterstab fokussiert, ohne den eine solche Buchserie nicht hätte produziert werden können. Daran schließen sich die Betrachtungen der Textinhalte an, auch die Veränderungen, die an einige Illustrationen vorgenommen wurden- und die Arbeitsschritte wie das Binden und Kolorieren, die erforderlich waren, um die Texte und Bilder in ansprechende Bücher zu verwandeln. 

Bei allem geht jedem der neun Bände eine kurze Zusammenfassung voraus. Diese gibt Aufschluss über die jeweiligen im Band enthaltenen Reiseberichte. 

Die einzelnen Bilder und Texte zu studieren, ist spannend und macht viel Freude. So erfährt man beispielsweise mehr von der Ankunft der Engländer in Virginia, liest über die Menschen dort, so etwa wie Frauen damals ihre Kinder trugen, wie sie gekleidet waren, was sie speisten, wie sie ihre Boote bauten und fischten und viele Gepflogenheiten mehr. 

Im Band II dann kann man Bilder bestaunen, die Florida zeigen. Man liest wie die Eingeborenen wenig wertschätzend mit Hermaphroditen umgingen, wie Kranke behandelt wurden, wie man Vorräte einbrachte, auf die Jagd ging und sogar Alligatoren tötete und anders mehr. 

Im Band III geht es dann um Brasilien. Auch hier wieder kann man sich in beeindruckende Bilderwelten vertiefen, erlebt wie Wilde miteinander kämpfen und es wird in mehreren Texten erläutert und auf Bildern gezeigt, wie die Eingeborenen in Brasilien im Rahmen von Zeremonien ihre Feinde verspeisten. 

Band IV befasst sich mit der Karibik und Zentralamerika. Kolumbus ist hier ein Thema, auch die Entdeckung der Magellanstraße. Dann liest man plötzlich als Kommentierung eines gezeigten Kupferstiches Folgendes: "Von der Tyrannei, der Grausamkeit und der Gier der Spanier beleidigt, fingen die Indianer so viele, als sie ihrer habhaft werden konnten. Namentlich Offiziere, banden ihnen Hände und Füße, legten sie auf den Boden und gossen ihnen flüssiges Gold in den Mund, um ihre Gier endlich zu stillen. Dabei riefen sie aus: " Iss Gold, iss Gold, du Christ!" Zur Folter schnitten sie den Spaniern hier einen Arm, dort eine Schulter und dem nächsten ein Bein ab, legten sie auf Kohle, brieten sie und aßen sie auf. (Tafel 12, 219) Wer sich mit der Gier der Konquistadoren näher befasst hat, kann  die Indianer durchaus verstehen, wenn auch aus heutiger Sicht das beschriebene Verhalten nicht zu billigen ist. 

Im Band V wird Mittelamerika thematisiert. Man erlebt hier neben kriegerischen Bildern auch friedliche, etwa wie die Indianer Handel treiben und verhandeln und im Band VI dann geht es um Peru. Auch hier erwarten den Leser wieder beeindruckende Bilder. Der Eroberer Pizarro kommt hier zu Sprache und man erlebt, wie die reichste Stadt in Peru- Cusco- von den Spaniern besetzt wird. 

Man liest wie die Spanier die Indianer misshandeln, die unter der Last der Arbeit zusammenbrechen und erfährt so vieles andere mehr, um im Kapitel VII  sich dann  ganz knapp über Rio de la Plata zu informieren und in Kapitel VIII über die Karibik.  Auch  Francis Drake kommt zur Sprache, der die Stadt Cartagena einnimmt und Walter Raleigh, der Freundschaft mit dem König von Arromaia schloss. Im Band IX  liest man etwas über Mexiko und Magellanstraße und hier beispielsweise von den Menschenopfern der Mexikaner. 

Gier, Grausamkeit und Verdrängung ist ein Teil der Menschheitsgeschichte. Der Inhalt des Buches ist ein gutes Beispiel hierfür. Ob sich der Mensch jemals ändern wird? Vielleicht nach unzähligen Inkarnationen, ansonsten wohl eher nicht.

Ein tolles Werk, das ich gerne weiterempfehle. 

Helga König

Im Fachhandel erhältlich

Onlinebestellung: TASCHEN oder Amazon
Theodor de Bry. America

Rezension: Leonardo da Vinci- Die Gemälde- Das komplette Werk - Alessandro Vezzosi- Prestel

Anlässlich des 500. Todestages von Leonardo da Vinci  am 2. Mai 2019 hat der Prestel-Verlag diesen sehr schönen Kunstband mit dem Titel"Leonardo da Vinci - Die Gemälde- Das komplette Werk" von Alessandro Vezzosi verlegt. 

Leonardo da Vinci gilt als revolutionärer Erneuerer der Kunst und als der Künstler, der stets bestrebt war, die Grenzen zu überwinden. Er ist dafür bekannt, dass er mit neuartigen Apparaten und Hilfsmitteln experimentierte, eine Camera obscura, einen Bildprojektor, eine Spiegelkammer mit Rundansicht und anderes mehr entwarf, die nach der Idee einer Art Bild-Maschine die Technik des modernen Films vorwegzunehmen scheinen. 

Seine Maltechnik soll nicht weniger innovativ gewesen sein. Hier befasste er sich mit dem Begriff des unendlichen Raums. Diesen versuchte er mit dem für ihn so charakteristischen Sfumato mit subtilsten Lasurschichten wiederzugeben und dies zum Teil unter Einsatz einer Fingerwischtechnik. Der große Renaissancemaler beschäftigte sich zudem mit der Haltbarkeit seiner Gemälde, studierte  Rezepturen von Farben und machte "unvergängliche Firnessen-Experimente". Die Anzahl eigenhändiger Gemälde ist übrigens erstaunlich gering, allerdings genial.

Das Buch ist in fünf Abschnitte untergliedert: 
Gelebte Malerei
Spurensuche
Leonardo als Theoretiker 
Die Werkzeuge des Malers 
Das Leben der Bilder 

Man erfährt im ersten Abschnitt Wissenswertes über Leonardo da Vincis Herkunft und Anfänge, seine Schulzeit und frühen Lehrjahre, seine Lehrer und Vorbilder, seine Lehrjahre in Florenz, seine Gewandstudien, auch über die Sprache der Hände und die neuen typischen Kompositionsformen des Künstlers wird man aufgeklärt. Man liest über seine Großaufträge in Florenz und Mailand, den Spannungen mit seinen Auftraggebern und kann sich mit dem Lächeln der Mona Lisa (Ausdruck einer heiteren inneren Ruhe und Gelassenheit), der Heiligen Anna und des Heiligen Johannes (diese zeigen auf subtile Weise die Regungen und Geheimnisse des Geistes und des Herzens) befassen. Auch die Einsamkeit des Malers wird thematisiert. 

Im zweiten Abschnitt geht es um Zuschreibungsfragen und im dritten, besonders interessanten Abschnitt um Themen wie Malerei als Philosophie und Wissenschaft oder auch  um das Wesen der Schönheit. Leonardos Schönheitsbegriff war ebenso vielschichtig wie modern. Für ihn war Schönheit universell und vielschichtig zugleich. Das soll in jedem Detail seines Werkes, aber auch schon in seinen Skizzen erkennbar sein. 

Über menschliche Proportion und Physiognomie bei Leonardo da Vinci wird man unterrichtet und man erfährt, welchen Anspruch er an sich und andere Künstler stellte, wenn es um das Studium der Anatomie des Menschen ging. 

Im Abschnitt 4 lernt man die Werkzeuge des Malers kennen und dann schließlich im Kapitel 5 seine Bilder. Diese werden jeweils in der Gesamtheit und in Ausschnitten veranschaulicht und ausführlich beschrieben. Sehr beeindruckend finde ich "Das Bildnis der Ginervra Benci", das nicht immer als Leonardos Werk galt. Die Florentiner Dichterin zieht die Betrachter sofort in ihren Bann. Dass Lorenzo de Medici ihr zwei Sonette gewidmet hat und auch der Humanist Landino ihre Schönheit pries, verwundert nicht, wenn man Leonardos Bild gesehen hat. 

Ich möchte die einzelnen Werke im Buch hier nicht alle aufzählen. "La Belle Ferronnière“ habe ich im Original im Louvre gesehen und nun mit großem Interesse die Infos hier im Buch dazu gelesen. Sehr ausführlich wird "Das Abendmahl" beschrieben. Dazu werden viele Bildausschnitte gezeigt und Wissenswertes zur Restaurierungsgeschichte berichtet. Noch ausführlicher wird das Bildnis der "Mona Lisa" beschrieben und ganz zum Schluss dann mein Lieblingsgemälde von Leonardo da Vinci  "Der Heilige Johannes" thematisiert, der, folgt man dem Renaissancemeister, zu den göttlichen Mysterien und zur Bestimmung des Menschen führt.

Eine umfangreiches Bildregister und ein ebenso umfangreiches Literaturverzeichnis runden das großartige Werk ab. 

Maximal empfehlenswert.
Helga König

 Im Fachhandel erhältlich 

Rezension- #Bauhaus_Dessau Architektur- Hirmer

Dieses Buch ist eine Teamarbeit von Dr. Florian Strob, der seit 2018 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Bauhaus Dessau tätig ist und dort u.a. die Neubespielung des Bauhausgebäudes und der Meisterhäuser kuratiert  und von dem studierten Fotografen Thomas Meyer, der seit dem Jahre 2000 Mitglied der renommierten Agentur #OSTKREUZ ist. 

Wie Claudia Perren, Direktorin und Vorstand der Stiftung Bauhaus die Leser im Vorwort bereits wissen lässt, nimmt die Stiftung Bauhaus Dessau das Jahr des 100. Gründungsjubiläums des Bauhaus zum Anlass, die größten und wichtigsten Schätze ihrer Sammlung- die Dessauer Bauhausbauten – in dem vorliegenden Werk neu zu präsentieren. 

Bei den Bauten handelt es sich um Zeitzeugen, die nicht nur das historische Bauhaus nahe bringen, sondern auch die Spuren der sich wandelnden Zeiten bis in die Gegenwart tragen. Ab dem Frühjahr 2019 werden die Dessauer Bauhausbauten erstmals mit einem übergreifenden kuratorischen Konzept durch die Stiftung Bauhaus Dessau bespielt. Ziel der Publikation sei es, die "Bauhausbauten Dessau", von denen bereits 1930 der Gründungsdirektor Walter Gropius im Titel seines Buches schrieb, keineswegs als selbstverständlich hinzunehmen, sondern auf produktive Weise eine gewisse Distanz zu ihnen einzunehmen, um sie in ihrer Vielschichtigkeit zu zeigen.

Das Bauhaus (1919-1933) war eine Hochschule, die auf radikale Weise Kunst, Handwerk und Technik neu miteinander verbunden hat. Dabei wurde in Dessau seitens des damals schon weltberühmten Bauhaus von 1925-1932 die Stadt von morgen erprobt. Was das Bauhaus dort baute und lebte, hatte Modellcharakter. Die Protagonisten schufen Prototypen der Moderne und verwirklichten neue Formen des Zusammenlebens. Ziel war es, durch die moderne Gestaltung die Lebensverhältnisse der Menschen zu ändern und zu verbessern. 

Erst nach dem Umzug der Schule nach Dessau 1925 vermochte das Bauhaus seine Ideen einem Realitätstest zu unterziehen. So wurde Dessau zu einer Art Probebühne der neuen Welt. Hier testeten die Bauhäusler Lösungen für verschiedene Bauaufgaben, über die man im Buch Näheres erfährt. 

Das "Neue Bauen" war damals eine Bewegung in Architektur und im Städtebau im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, die sich mit gestalterischer und konstruktiver Ökonomie befasste, um sich so der herrschenden Wohnungsnot anzunehmen. Sehr wichtig waren soziale Aspekte. In den Jahren 1925-1932 verwirklichten die Architekten am Dessauer Bauhaus ihre Entwürfe und schufen ein einzigartiges Ensemble moderner Architektur. 

Diese alten Meisterhäuser lernt man im Buch näher kennen. Dazu kommen neue Meisterhäuser von Bruno Fioretti Marquez 2011-2014 und weitere Gebäude, so von Friedrich Engemann aus den Jahren 1930-1933, die noch heute dem bürgerlichen Wohnen dienen. Der Entwurf der Gaststätte Kornhaus, hier war Carl Flieger 1929/30 der Architekt, wird näher erläutert, auch das von Walter Gropius 1928/29 entworfene Arbeitsamt. Anschließend lernt man noch die Siedlung Dessau –Törtchen von Walter Gropius näher kennen. Hier erfährt man Hintergrundwissen und Aufschlussreiches zu diesen Reihenhäusern und Sonderbauten. 

Durch dieses und anderes mehr kann man sich einen sehr guten Überblick über die Architektur Bauhaus Dessau verschaffen, die in diesem Jahr in aller Munde ist und es durch Bücher, wie  Bauhaus Dessau Architektur- gewiss auch weiterhin sein wird. 

Maximal empfehlenswert.

Helga König

Im Fachhandel erhältlich.

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Bauhaus Dessau: Architektur