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Rezension: Skandalkunst

Dieser textreiche Bildband stellt Kunstwerke aus unterschiedlichen Jahrhunderten vor, die aus mannigfaltigen Gründen zensiert, verboten und geächtet wurden. Untergliedert ist das Buch in vier große Abschnitte:

Sakrileg
Politisch
Inkorrekt 
Sexuelle Skandale 
Künstlerische Grenzüberschreitungen

Im Vorfeld zum Abschnitt "Sakrileg" erfährt man, dass es die Feindschaft der beiden Glaubensrichtungen war, die im 16. Jahrhundert dazu führte, dass es nicht nur zu Massakern der beiden Glaubensrichtungen und anderen gewalttätigen Übergriffen kam, sondern auch zu einem moralischen Diskurs, der die Päpste dazu veranlasste, die Kunst aus der Nähe zu beleuchten.

Im Rahmen des Konzils von Trient wurden Dekrete zur Stärkung der Gegenreformation getroffen. Hier auch sprach man sich für einen bestimmten Moment in der Kunst aus, der besagte, dass christliche Kunst nichts Profanes enthalten dürfe. Nur wenige Künstler widersetzten sich, erst in der Renaissance wurden die Künstler wieder freier.

Gemälde, die den Vorstellungen der Kirche widersprachen, werden im ersten Kapitel gezeigt. Den Anfang nimmt eine Freske von Masaccio, "Die Vertreibung aus dem Paradies", die sehr gut erläutert wird, wie übrigens alle nachfolgenden Gemälde auch. Das Werk, das die entblößten, verzweifelten Menschen Adam und Eva zeigt, wurde 200 Jahre später zensiert und die Nacktheit mittels Feigenblätter übermalt. Erst in den 1980er Jahren wurde die Nacktheit bei der Restauration der Freske wiederhergestellt. Man hat im Buch Gelegenheit, beide Fresken zu sehen und sich ein Urteil zu bilden.

Natürlich ist es nicht möglich, alle Bilder im Rahmen der Rezension zu benennen. Mich hat zunächst mal interessiert, welche Bildinhalte ich anstößig finde. Eines dieser Bilder zeigt den homosexuellen Robert Mapplethorpe bei obzönem Tun, aber es gibt im Buch noch weitaus widerwärtigere Bildinhalte im Abschnitt der sexuellen Skandale-Bilder, doch auch sie bilden Realitäten ab. Mit ihnen zwingt uns die Kunst, sich intellektuell auseinanderzusetzen.

Im Abschnitt "Politisch inkorrekt" werden einige Radierungen von Goya gezeigt, der in seinen Grafiken die Laster seiner Zeit und seines Landes darstellt. Gezeigt wird eine politisch aussagekräftige Karikatur mit dem Titel "Gargantua" und es folgen noch weitaus beeindruckender Gemälde, die aus Sicht der jeweilig Herrschenden inkorrekt waren. Darunter u.a. zwei Gemälde des von mir hochgeschätzten Malers Otto Dix, ein Gemälde von Chagall, den die Nazis hassten aufgrund der jüdischen Szenen, die er malte... Dass ich die Ausstellung "Körperwelten" nicht gesehen habe, bedaure ich, denn ich hätte mir gerne vor Ort ein Urteil gebildet. Der im Buch abgebildete Mensch wirkt vor allem ästhetisch ansprechend.

Ein sehr interessanter Kunstband, der nicht nur Wissenswertes über Skandalkunst zu berichten weiß, sondern, der uns auch viel über uns als Betrachter nahe bringt. Wann geraten wir in intellektuelle Konflikte aufgrund unserer möglicherweise sogar, ungewollten moralischen Wertung eines Kunstgegenstandes? Ist es überhaupt möglich moralische Wertungen völlig auszuschalten und nur das gestalterische Werk zu sehen?

Fragen, die ich für mich nicht vollständig beantworten kann. Otto Dix sagt: "Der Maler ist das Auge der Welt" und damit hat er Recht. Nicht alle abgebildeten Realitäten mögen uns gefallen, aber kann man ihnen deshalb den künstlerischen Wert absprechen?

Sehr empfehlenswert. 

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