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Rezension: Gaudi- Das vollständige Werk- Rainer Zerbst- TASCHEN


Dieser wundervolle Bildband befasst sich mit dem Leben und Werk des spanischen Architekten Antoni Gaudi (1852-1926), der sich als junger Mensch der katalanisch-nationalen Bewegung anschloss und der Kirche gegenüber sehr kritisch war. 

Dr. Rainer Zerbst schreibt in der Einleitung, dass Gaudi als Student neben den theoretischen Studien in Seminaren und am Reißbrett in den Büros von Architekten in Barcelona Wissenswertes erlernte und seinen Professoren aufgrund seiner Eigenwilligkeit auffiel. Insofern wundert es auch nicht, dass er recht bald schon die Pfade der schulmäßigen Architektur verließ. Gaudi hat nichts von Stilreinheit gehalten, liest man, sondern er ließ sich von Bauten vergangener Zeiten inspirieren. 

Nach einem kurzen Intermezzo strenger, gotikähnlicher Bauten entwickelte er ungehemmt seinen persönlichen Stil und entfernte sich immer weiter von jeglicher Imitation. Seine Aufträge erhielt der junge Architekt zumeist durch private Kontakte.

Im vorliegenden Buch lernt man im Rahmen von 16 Kapiteln Arbeiten des Meisters kennen. Diese sind nach ihrem Entstehungsdatum geordnet. Zunächst  kann man sich in die die "Casa Vincens" vertiefen, die sich wie ein  Märchenschloss aus "Tausendundeiner Nacht" vor den Besuchern der "Calle de les Carolines 24" in Barcelona erhebt. Hier vereint Gaudi spanisch bürgerliche und alte jahrhundertelange arabische Tradition und macht etwas Eigenes daraus. Der Reiz der Ornamente an den Außenfassaden setzt sich im Inneren fort und lässt den Betrachter immerfort staunen. 

"El Capricho", erbaut zwischen 1883-1885, ist der Versuch, das Mittelalter, die Blütezeit Kataloniens mit der Anmut orientalischer Residenzen zu verbinden. Das Gebäude kann man in einem kleinen grünen Areal in Comillas bei Santander bewundern. Hier ist die architektonische Struktur noch freier und verspielter. Das Zentrum bildet eine Art Wintergarten, um den sich wie Zusätze weitere Räume gruppieren. 

Es folgen in der Präsentation die "Finca Güll" und der "Palacio Güll". Beide Objekte kann man in Barcelona bestaunen. Dabei erwartet den Besucher des Palastes die größte Überraschung auf dem Dach, wo sich ein farbenfroher Wald aus keramikverkleideten Kaminen, Luftaufsätzen und einem zentralen Turm erhebt. Für Gaudi sei das Dach stets das wichtigste Element gewesen. Hier entfaltete er zumeist die größte Fantasie, wie man sich im  Buch immer wieder überzeugen darf. 

Vorgestellt werden des Weiteren der "Bischofspalast" in Astorga, das "Colegio Teresiano" in Barcelona, die "Casa de Los Botines" in León, die "Bodegas Guell" in Sitges, die er für seinen Mäzen erstellte. Zu bewundern ist außerdem die "Casa Calvet", sie entstand zwischen 1898-1904 in Barcelona. Sie ist eines der konventionellsten Gebäude des Meisters und die einzige Arbeit, die von offizieller Seite Anerkennung fand. Noch zu sehen gibt es im Rahmen dieser großartigen Werkschau, Außen- und Innenansichten der "Krypta Colonia Guell", auch die "Torre Bellesguard" in Barcelona und schließlich auch der "Park Guell" im Nordwesten der Stadt, der eigentlich eine Gartenstadt werden sollte, aber heute ein Erholungszentrum der Bevölkerung Barcelonas ist. 

Dann lernt man durch Bilder und erläuternde Texte die "Casa Batlló"  und "La Pedrera"  in Barcelona kennen und fühlt sich teilweise ein wenig erschlagen von der Fantasiewelt Gaudis, die man nur häppchenweise wirklich genießen kann. 

Die berühmte "Sagrada Familia" in Barcelona mit ihren wunderschönen Kirchenfenstern wird ebenso ausführlich beleuchtet wie die "Schule der Sagrada Familia". Dabei ist die "Sagrada Familia"  das  meist besuchte Bauwerk Spaniens und zählt mit sechs weiteren seiner Bauten zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Im Anhang  dann erhält man einen Überblick über das vollständige Werk Gaudis, dem sich  in eine Kurzbiografie des Künstlers, sowie die Bildnachweise und die Bibliografie anschließen. Ein Lageplan der Gebäude rundet das wunderbare Werk ab, das durch neue Fotos, historische Aufnahmen und durch von Gaudi selbst angefertigte Zeichnungen und Pläne außerordentlich besticht. 

Maximal empfehlenswert. 

Helga König

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Rezension: Rita de Muynck- Reframing- Klinkhardt&Biermann


Dies ist der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung #Rita_de_Muynck- #Reframing, die  jetzt im Herbst 2019 im #Kallmann_Museum in Ismaning gezeigt wurde. 

Präsentiert wurden Werke der Künstlerin aus den Jahren 2014-2019. 

Herausgeberin des Katalogs ist Karin Sager, die  neben Rasmus Kleine für die eloquenten Texte im Buch zuständig ist und des Weiteren drei Gespräche mit  der flämischen Malerin Rita de Muynck geführt hat, die man in der Publikation nachlesen kann. 

Die Künstlerin nimmt in dieser Ausstellung die Besucher mit auf eine beeindruckende Reise und zeigt andere Formen des Kunsterlebens auf. Dabei stammt der Begriff "Reframing" für die Ausstellung aus der Psychologie. Er umschreibt die Fähigkeit, gedankliche Bezugssysteme, Rahmen und Kontext einer Situation oder eines Geschehens durch Perspektivwechsel umzudeuten. 

Auf die Kunst übertragen bedeutet dies, unsere Sicht zu erweitern und neue Vorstellungen als auch Deutungsmöglichkeiten zu entwickeln und zuzulassen. Bilder, die uns bewegen, schreibt Rita de Muynck, sind oder waren für uns von besonderer Bedeutung. Das gelte bei der Betrachtung von Kunst sowohl für angenehme wie auch zunächst für beunruhigende oder negative Empfindungen und genau da beginne der Prozess des "Umrahmens", des  "reframings". 

Bei längerer Betrachtung setzt eine tiefere Wahrnehmung des Kunstwerks ein, so aktuelle Ergebnisse der Hirnforschung und dies erlaube neue oder veränderte Zuordnungsmöglichkeiten, auch das Aushalten von Widersprüchen. Das im Reframing gefundene eigene Bild, erschaffe neue Realitäten. 

In der Ausstellung und im Katalog zeigt die Künstlerin Bilder, die unter verschiedenen Bedingungen entstanden sind. Dabei hörten die Besucher der Ausstellung zu den Werken, die bei Musik entstanden sind, die Stücke, die der Bildgestaltung zu Grunde liegen. Auf diese Weise konnten Wahrnehmungen des Werkes angeregt werden, die mit dem Ursprungsbild korrespondieren. Wie man erfährt, haben Teilnehmer solcher Versuche berichtet, dass sie bislang ihnen unbekannte ästhetische Erfahrungen gemacht haben, sie sprachen von intensiven emotionalen Reaktionen und sogar von synästhetischem Erleben.

In der Ausstellung im Kallmann-Museum gehörten Text, Musik und Exponate unmittelbar zusammen. Im Katalog allerdings kann man sich auch unabhängig von all diesem in die präsentierten Werke der flämischen Malerin vertiefen. So etwa in ihr Werk "Baum bei Kochel".

Rita de Muyncks  zentrales Anliegen besteht darin. Erinnerungen freizulegen, denen im Fall des Bildes "Baum bei Kochel" ein reales Erleben vorausgeht.

Es ist empfehlenswert, sich in die mit Karin Sager geführten Gespräche zu vertiefen, um das Anliegen und die Bilderwelt der Künstlerin besser zu verstehen. 

Ihr Bemühen, mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen leichtere Zugänge und Vorgehensweisen im Bereich der Kunstwahrnehmung und Kreativität zu entwickeln, finde ich höchst spannend und empfehle das vorliegende Buch allen, die an einem neuen Kunstverständnis interessiert sind und  sich mit den Werken der Künstlerin auseinandersetzen wollen 

 Helga König