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Rezension: Wege des Pointillismus- Seurat, Signac, Van Gogh- Albertina, Hirmer.

Dies ist der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung "Wege des Pointillismus- Seurat, Signac, Van Gogh", die vom 16. September 2016 bis zum 8. Januar 2017 in der Albertina in Wien gezeigt wird.

George Seurat (1859- 1891) gilt als der wichtigste Vertreter des Pointillismus. Er war es, der die Kunst revolutionierte, indem er sich von den tradierten Sehgewohnheiten verabschiedet und der Malerei der Moderne den Weg geebnet hatte.

Die Pointillisten- eine Gruppe von Malern, allen voran Camille Pissarro-, schenkten nach dem frühen Tod Seurats Punkt, Licht und Farbe mehr Aufmerksamkeit und bewirkten, dass auf diese Weise der Bildgegenstand immer mehr in den Hintergrund trat. Die Ausstellung und der Katalog zeichnen diesen Umstand anhand der Entwicklung der Malerei von Seurat bis Paul Klee nach. Dabei ging es der ersten Generation der Pointillisten in ihrer Bilderwelt primär darum, abstrakte Begrifflichkeiten zum Ausdruck zu bringen.

Es war Seurats Wegbegleiter Signac, der die Punktechnik erneuerte. Das tat er, indem er das Prinzip der Farbtrennung in den Vordergrund stellte. So befreite er die Maler von der Punktechnik. Matisse und dessen Kreis brachen dann völlig aus dem rigiden System des Pointillismus aus. 10 Jahre nach Seurats Tod waren dessen Bilder Inspirationsquelle für junge Maler, die Malerei zu erneuern. Nun entfernte man sich von den weltfremden Ateliers, um in der Natur zu malen, ohne diese allerdings nachzuahmen. Jetzt sollte der Ausdruck der eigenen Empfindung unmittelbarer wiedergegeben werden.

Die Ausstellung der Albertina ist das Ergebnis einer Kooperation mit dem Kröller-Müller Museum in Otterlo/Niederlande.

Der Katalog enthält neben den Werken, die in der Albertina derzeit gezeigt werden, eloquente Essays unterschiedlicher Autoren, die sich mit einzelnen Künstlern des Pointillismus  und deren Werken breitgefächert befassen, so etwa  mit Georges Seurat, Paul Signac, Henri Matisse, Vincent van Gogh und Paul Klee. Auf die komplexen  Inhalte näher einzugehen, führt im Rahmen der Rezension allerdings zu weit. In ihrer Gesamtheit bieten die Texte- so viel soll gesagt werden-  für den Kunstinteressierten einen tiefen Einblick in den Weg des Pointillismus und machen diesen begreifbar.

Sehr empfehlenswert

Helga König

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Rezensionen: Die Helden- Georg Baselitz Städel Museum- Hirmer

Georg Baselitz ist fraglos einer der bedeutendsten deutschen Künstler der Gegenwart. Wie Max Hollein, der ehemalige Direktor des Städel Museums in seinem Vorwort schreibt, entwickelte der damals 27 jährige Georg Baselitz im Jahre 1965/66 die Werkgruppe der "Helden" und "Neuen Typen" in explosionsartiger Produktivität. 

Der Künstler ließ auf Leinwand und Papier jene dramatischen wie kraftvollen Figurenbilder entstehen, die in merkwürdiger Spannung zwischen Aggression und Verletzlichkeit, zwischen Geste und Beklommenheit schweben. Die "Heldenbilder" von Georg Baselitz zeigten kräftige, gleichwohl versehrte und in ihrer Autorität abhanden gekommene, entblößte, rudimentär uniformierte Gestalten. Es handele sich um robuste, dabei lethargische Männer, melancholische Überlebende in einer zerstörten chaotischen Welt, bilddominant und in einer pathetischen Untersicht mit vielen landschaftlichen Details inszeniert und in einer gezielt unroutinierten, fahrigen Malerei ausformuliert. Dieser Betrachtung von Max Hollein  schließe ich mich gerne an.

Nicht nur von ihren formalen Aspekten sind die Bilder manieristisch, sondern offenbar auch von ihrer Grundaussage. Die Figuren sind laut Bildtitel Helden, Rebellen, Hirten und Aufständische. Es sind Außenseiter, vermeintlich verloren im passiv- aggressiven Zustand. Wohl sind sie melancholisch, aber dennoch befähigt mittels durch Reflektion zu erweckender Willenskraft ausbrechen zu können.

Für Baselitz sollen die "Heldenbilder" nicht nur ein Markstein, sondern ein vehementer Dreh- und Angelpunkt in seinem Werk sein. Anhand von weiteren Essays unterschiedlicher Autoren hat man Gelegenheit, sich mit den Werken intellektuell auseinander zu setzen. 

Im Katalogteil eingebunden sind 15 sehr nachdenklich machende Geschichten von Alexander Kluge zu Bildern von Georg Baselitz aus den Jahren 1965 und 1966. 

Mit der Frage: "Was ist eine Kämpfernatur?" beginnt eine der Geschichten. Eine interessante Frage, die sich gewiss nicht  einfach beantworten lässt

Das Buch ist eine Bereicherung für jede Privat-Bibliothek

Empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Lawence Alma -Tadema- Klassische Verführung- Prestel

Der vorliegende Bildband befasst sich mit dem Leben und Werk des Künstlers Sir Lawrence Alma Tadema (8.1.1836- 28.6.1912). 

Der niederländisch-englische Maler studierte von 1852- 56 an der Antwerpener Akademie, um sich dann unter dem Einfluss der belgischen Historienmalerei auf mittelalterliche und ägyptische Sujets zu konzentrieren. Von 1865 an konzentrierte er sich auf die griechisch-römische Antike. Fünf Jahre später verlegte er seinen Wohnsitz nach England und war in London 31 Jahre lang Mitglied der Akademie.

Aufgrund seiner zum Teil mit archäologisch rekonstruierten und fotografisch präzisen Details ausgestatteten Schilderungen antiken Lebens, speziell von Bädern, Festen und Umzügen wurde er zu einem der am meisten gefeierten viktorianischen Maler. 

Konkret geht es in der vorliegenden Publikation "Klassische Verführung" um die neueste Forschungsergebnisse aus Europa und Amerika über diesen Künstler. Herausgeber des informationsreichen Buchs für das Fries Museum sind Elisabeth Prettejohn & Peter Trippi. Die Einleitung hat E. Prettejohn verfasst. Sie skizziert hier, worum es in groben Zügen in den Texten geht. Im Rahmen von zahlreichen Essays unterschiedlicher Autoren werden dem Leser dann der Künstler und sein Schaffen näher gebracht. Die vielen Abbildungen und auch die  sogenannten Highlights vervollständigen das Bild, das vom Künstler und seinen Werken vermittelt werden soll.

Die Bilder, die auf die römisch-griechische Antike Bezug nehmen, erfreuen das Auge und regen die Fantasie an. Der Maler schöpfte in seinen frühen Bildern beispielsweise aus dem, was er in Pompeji gesehen hatte, den Räumen und Atrien der antiken Stadt. Sein besonderer Ansatz bestand damals darin, dass es ihm gelang, die materielle Kultur in Rom, wie man sie von den Ausgrabungen in und um Pompeji kannte,  mit der niederländischen Bildtradition zu vereinen, die mit Vorliebe in den Innenräumen von Wohnhäusern gezeigt wurde. 

Schön im klassischen Sinne des Wortes  ist das Bild Tademas mit dem Titel "A Reading from Homer", das von seiner Ästhetik her vor allem besticht. Viele  der  gezeigten Werke erzählen Geschichten aus fernen Zeiten, in denen Frauen zart und verträumt waren und offenbar noch an die Poesie im Leben glaubten. 

Spannend zu lesen  ist,  wie Tadema sich einen Namen machte und welchen Einfluss er auf den frühen Klimt hatte. Natürlich hat man die Chance, sein berühmtes Gemälde "The Roses of Heliogabalus" zu bewundern, aber auch das imposante Werk "The Coliseum". 

Tadema soll wie kaum ein anderer seiner Zeitgenossen den Kunstmarkt für sich genutzt haben, der sich weltweit erstreckte. Als er das Ende seines Lebens erreichte, konnte man fast überall auf der Welt grafische und fotografische Reproduktionen seiner Kunstwerke finden. Diese prägten das Bild der Antike bei seinem Publikum und stießen auch bei Filmemachern auf großes Interesse. Auch in den sozialen Netzwerken werden Bilder von ihm immer wieder verlinkt, offenbar weil er die schönen Facetten einer unschönen Zeit dem Betrachter vollendet nahe bringen kann.

Das Buch ist eine Bereicherung für jede Kunstbuchsammlung 

Sehr empfehlenswert. 

Helga König

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Rezension: Der Rhein- Eine europäische Flussbiografie-Prestel

Dies ist der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung "Der Rhein- Eine europäische Flussbiografie", die noch bis zum 22.Januar 2017 in der Bundeskunsthalle in Bonn gezeigt wird. 

In diesem reich bebilderten Buch wird gleich zu Beginn ein zwei Seiten umfassendes Gemälde von Moritz von Schwind präsentiert, das aus dem Jahre 1848 stammt und den Titel "Vater Rhein" trägt. Dieses Gemälde wird inhaltlich näher erläutert. Es folgt ein Vorwort von Rein Wolfs. Hier erfährt man, dass die Entdecker des touristischen Rheins die Briten waren. Schon zu Ende des 18. Jahrhunderts begeisterten sie sich für die malerische Landschaft des Mittelrheintales mit seinen Burgen, Ruinen und Wasserfällen. 

Maler wie der Brite William Turner und viele Literaten, unter ihnen Hölderlin, Lord Byron und Goethe, haben das Bild des Rheins und dessen Rezeption maßgeblich geprägt. 

Ein Zitat von Max Ernst und dessen Gemälde "Vater Rhein" aus dem Jahre 1953 sind dem Text  "Der Rhein. Eine europäische Flussbiografie" vorangestellt.   Besagter Beitrag stammt von Marie- Louise von Plessen. Hier liest man u.a., dass dem Rhein noch nie zuvor eine Ausstellung als Biografie gewidmet wurde und zwar mit paläontologischen Exponaten aus rheinischen Kalken des Oligozän bis in die Gegenwart. "Der Rhein. Eine europäische Flussbiografie" ist die vierte Ausstellung im Rahmen der Wasserausstellungen von Marie – Luise von Plessen. 

Neben einer Fülle von Abbildungen von Ausstellungsexponaten warten auf den Leser informative Textbeiträge unterschiedlicher Autoren, so etwa zum Rhein als Geohistorie und zur Navigation und Verbauung. Man erfährt Näheres zu "Europas feinster Kaskade", dem Rheinfall von Schaffhausen. Es handelt sich hierbei um den drittgrößten Wasserfall Europas. Der britische Maler J. M.W. Turner malte ihn voller Begeisterung. 

Man liest von den Römern, der Kirche, den Kaisern, auch den Händlern, für die dieser Strom Bedeutung hatte. Über viele Jahrhunderte beförderte der Rhein als Straße des Weins, der Schriften, der Handelswaren den europaweiten Warenumschlag, aber der Rhein war auch der Strom der Troubadoure und galt zudem als Förderband für den Transfer und Austausch von Bildern und Schriften, von Zimelien und Druckwerken, die neue Ideen für Wissbegierige und Neugierige in Europa vertrieben. 

Festungen und Residenzen sind ein weiteres Thema. Auch hier werden Bilder präsentiert, die einen guten visuellen Eindruck  des dazu gehörenden Textes verschaffen. Das Kriegsgeschehen bleibt ebenfalls nicht ausgespart und man liest vom Nibelungenlied und dem Rheingold, das Hagen von Tronje einst in besagtem Fluss versenkt haben soll. 

Auch "Marianne" und "Germania" kommen zur Sprache und die Freiheitsbäume am Rhein. Des Weiteren geht es um die Nationalisierung des transnationalen Stroms im 19. Jahrhundert, um industrielle Betrachtungen, um Nationaldenkmäler und  anderes, nicht immer Erfreuliches mehr. Mit dem Textbeitrag "Eine Achse der europäischen Idee" von Martin Winter findet dieses Buch einen gelungenen, versöhnlichen Abschluss. 

Sehr empfehlenswert

Helga König

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Rezension: Marc Chagall- Die Glasfenster-belser

Bei diesem reich bebilderten Buch aus dem belser- Verlag handelt es sich um die aktualisierte und erweiterte Ausgabe des 1987 erstmals erschienen Kunstbandes über das Gesamtwerk Chagalls als Glasmaler. 

Der berühmte Künstler Marc Chagall (1887- 1985) wandte sich in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre immer mehr kolossalen, architekturgebundenen Arbeiten zu. So entstanden u.a. Glasfenster weltweit von unendlicher Ausdruckskraft. 

Die Macher des vorliegenden Werkes - unter ihnen Benoît Marq, der Glasmeister und Geschäftführer der Familienwerkstadt Simon-Marq in Reims - dokumentieren mittels großformatiger Gesamt- und Detailansichten und durch die ausführliche Darstellung der modernen handwerklich-technischen Umsetzung von Chagalls Entwürfen das innovative Vorgehen des Künstlers. 

In Textbeiträgen unterschiedlicher Fachautoren lernt man die umfangreichen Facetten der Glasmalerei kennen. Sylvie Forestier, die Kuratorin d Musée National Message Biblique Marc Chagall in Nizza schreibt, dass Chagalls erste Auseinandersetzungen mit der Glasmalerei untrennbar mit der Kathedrale in Chartres und dem französischen Pater Marie-Alain Couturier verbunden sei. 

Präsentiert wird im Buch neben den ausführlichen Textbeiträgen eine Übersicht der Glasmalereien Marc Chagalls. Dabei entspricht die Reihenfolge ihrer Entstehung. Die beigefügten Maße geben zunächst die Höhe, dann die Breite an. 

Zu sehen sind die Glasfenster von Chagall an unterschiedlichen Orten auf dieser Welt, beispielsweise in Jerusalem, in New York, in Chicago, aber auch in Zürich sowie in Mainz und natürlich in Frankreich. 

Man erfährt über die einzelnen Gotteshäusern in Bezug auf das Werk Chagalls stets Wissenswertes, so auch, dass die Glasfenster in Reims eine Fläche von fast 75 Quadratmeter einnehmen. 

Farblich am faszinierendsten sind  Chagalls Blautöne wie man sie aus der Kirche  St. Stephans in Mainz kennt. Sich mit den Motiven zu befassen, bedeutet sich mit Chagalls biblischer Welt auseinanderzusetzen und immer wieder zu staunen, was Fantasie und Können bewirken, wenn ein Künstler aus tiefsten Herzen seine Arbeit und deren Thema liebt. 

Am Ende des Buches darf man im Rahmen einer Chronologie in Bildern Chagall bei der Arbeit zusehen. Dies ist ein besonderes Vergnügen, denn Chagall war ein herzlicher Mensch, dessen Licht hell erstrahlte, wenn er lächelte,

Sehr empfehlenswert

Helga König

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Rezension: Nordische Malerei- Im Licht der Moderne-Prestel

Die Autorinnen dieses wundervollen Kunstbandes Katharina Alsen und Annika Landmann befassen sich im Zuge diese Publikation mit wichtigen Bildthemen wie Landschaften, Porträts, Interieurs, Großstadtmotivik und Abstraktion. Dazu ziehen sie Werke von Künstlern wie Edvard Munch, Vilhelm Hammerschoi, Helene Schjerfbeck, Jóhannes S. Kjarval oder auch Sigrid Hjertén heran. 

Im Rahmen von neun Kapiteln widmen sich die Autorinnen interessanten Fragestellungen, so etwa nach den Wechselwirkungen zwischen nordischen und mitteleuropäischen Künstlern. 

Zunächst aber wird man mit dem kunstgeographischen Norden vertraut gemacht und liest in der Folge von der Idee des Nordens, die in der Forschung von verschiedenen Seiten als kulturgeographisches Konstrukt ausgewiesen worden ist, das sich seit Jahrhunderten im Wandel begreift und in "dynamischer Relation zu anderen kollektiven Identitätsentwürfen wie "Skandinavien", der "Arktis" oder der historischen " Hanse" im Ostseeraum stand oder steht." 

Die wichtigen Faktoren der kulturellen Verbundenheit der nordischen Länder sind die religiöse Homogenität des Protestantismus und die nordische Sprachgemeinschaft. Das soll nicht unerwähnt bleiben.

Man lernt Landschaftsbilder, beispielsweise von Emil Nolde kennen und erfährt Wissenswertes über die Geburt der bildenden Kunst in Island. Dabei ist die topographische Einzigartigkeit dieser Insel im Nordatlantik mit ihren elementaren Naturgewalten ein zentrales Motiv der isländischen Naturpoesie.

Es führt zu weit, auf all die genannten Künstler und Werke im Rahmen der Rezension einzugehen. Von dänischen, auch von finnischen Künstlern liest man,  aber auch von der Bildkunst Grönlands. Die Fülle des dargebotenen Wissens ist  mehr als nur beachtlich und lässt den Leser in eine Welt eintauchen, die immer wieder nicht enden wollendes Staunen zum Ergebnis hat. Das gilt auch für das Kapitel "Freiluftvitalismus und Körperkultur". Schon zu Beginn der Jahrhundertwende hatte sich bei an der Westgrenze der dänischen Insel Seeland eine vitalistisch orientierte Gruppierung mit künstlerischer Agenda zusammengefunden, um unter freiem Himmel nackt körperlich zu ertüchtigen, sonnenzubaden und sich gegenseitig Modell zu stehen. 1903 wurde die Kolonie aufgelöst. Werke von J. A. G. Acke, Edvard Munch, oder J. F. Willumsen erinnern daran.

Über Dandyismus, auch über Sinnlichkeit und Begehren in der nordischen Malerei bleibt man nicht unaufgeklärt und kann sich zudem mit der Morbidität des Körpers auseinandersetzen. 

Sehr schön und wohltuend für die Seele sind die Stimmungslandschaften und die Nationalromantik. Dabei stellt die Beseelung der Natur, die durch das künstlerische Schaffen erfolgen soll,  ein Leitmotiv der nationalromantischen Stimmungsmalerei dar. Traumhaft übrigens ist das Gemälde "Sommerabend am Skagener Südstrand" von P. S. Kroyer, 

Vorgestellt werden  zudem Künstlerkolonien von Skagen bis Önningeby und Wohnideale wie sie der schwedische Maler Carl Larsson geschaffen hat. 

Im Dialog mit der Avantgarde werden Abstraktionen thematisiert und Bilder wie der "Schicksalswürfel" von Finnur Jonsson vorgestellt. Noch eine Vielzahl anderer Aspekte der nordischen Malerei kommen zu Sprache und machen dem Leser deutlich, dass es hier ein weites Feld zu beackern gilt. Einsamkeit bringt kreative Vielfalt hervor.

Ein tolles Werk, das ich sehr gerne weiter empfehle.

Helga König

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Rezension: 100 Jahre 100 Bauwerke- John Hill- Prestel

Autor dieses Buches ist der Architekt John Hill. Er ist Chefredakteur des internationalen Online-Magazins World-Architects.com sowie Gründer und Chefredakteur des Blogs "A Daily Dose of Architecture". Dort veröffentlicht er täglich Artikel zu architektonischen Neuheiten und Buchbesprechungen. John Hill lebt in New York. 

Das vorliegende Buch begreift er als eine Art Experiment. Er stellt 100 Bauwerke der letzten 100 Jahre vor. Konkret handelt es sich stets um ein Gebäude pro Jahr von 1916 bis 2015.  Dieses Buch ist keine Architekturgeschichte der letzten 100 Jahre, wie der Autor betont, sondern eine Art Einführung in 100 Bauwerke, mit dem Ziel, die Leser dazu zu motivieren, diese zu besuchen und sich den Nuancen der einzelnen Projekte, den Details ihrer Gestaltung sowie den einzigartigen Aspekten jedes Entwurfs aufmerksam zu widmen. 

Bei den Betrachtungen geht es dem Autor um die Umstände ihrer Entstehung. Wichtig  zu wissen ist es, wie John Hill den Begriff Architektur definiert. Sie ist für ihn die Schaffung von Räumen für menschliche Betätigungen. 

Man erfährt Wissenswertes zu den Auswahlkriterien der Gebäude für diese Publikation und kann sich dann in die Bauwerke vertiefen. Sie sind natürlich alle abgebildet. Man erfährt stets, wer der Architekt ist und wo  sich das jeweilige Gebäude befindet. 

Fasziniert hat mich Erich Mendelsohns "Einsteinturm" in Potsdam gleich zu Beginn. Er entstand 1921, dient heute als Sonnenobservatorium und Ort für Sonderveranstaltungen im sogenannten "Wissenschaftspark Albert Einstein". Der Architekt versuchte mittels des Gebäudes, die der allgemeinen Relativitätstheorie zugrunde liegende Bewegung und Energie darzustellen. Nachdem der Turm 1921 fertiggestellt worden war, wurden drei Jahre später das Teleskop von Carl Zeiss und weitere Inneneinrichtungen installiert. 

Die im Buch vorgestellten Gebäude sind weltweit lokalisiert. Dabei befindet sich das 1918 fertiggestellte "Goetheanum"  des Anthroposophen Rudolf Steiner in Dornach in der Schweiz. Das architektonische Highlight des Baus ist die Treppenhalle im Westen. Es handelt sich dabei um einen komplexen, lichtdurchfluteten Raum mit großen von Steiner gestalteten Fenstern. Sehr beeindruckend.

Unmöglich ist es, all die Gebäude im Rahmen der Rezension benennen oder gar zu beschreiben. Begeistert bin ich von der "Casa Luis Barragán", gebaut 1948 in Mexiko Stadt durch den gleichnamigen Architekten. Im gesamten Innenraum ist Farbe von entscheidender Bedeutung. Alles ist auf Schönheit angelegt. Die Dachterrasse, die offenbar von Haus und Garten unterhalb abgeschnitten ist,  wird eins mit dem Himmel und auf diese Weise zum Ort der Kontemplation. 

Erwähnen möchte ich das 1998 entstandene "Kulturzentrum Tjiabou in Nouméa, Neukaledonien". Es wurde vom Renzo Piano Building Workshop errichtet. Piano arbeitete dabei mit einem Etnologen zusammen. Die Gebäude wirken wie Skulpturen. Man kann sich daran nicht sattsehen. 

Das Buch ist eine Fundgrube höchst interessanter Gebäude. Über diese mehr zu erfahren, ist spannend und bereitet viel Freude. Die Fotos bereichern all jene, die einen Sinn für Ästhetik haben. 

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: J `aime tant fort une- Das Stundenbuch des Königs Charles VIII- Ina Nettekoven- Hirmer

Die vorliegende reich bebilderte Studie, denn um eine solche handelt es sich, ist einem königlichen Buch gewidmet. Ina Nettekoven befasste sich 13 Jahre hindurch mit den Forschungen über das Stundenbuch Charles VIII. von Frankreich. 

Nettekoven berichtet zunächst über das Pariser Buchwesen um 1500, weil der vorliegende Band sich mit der Situation in Paris in der Zeit um 1500 befasst, als das dortige Buchgewerbe sich in einer Umbruchsphase befand. Fokussiert werden zwei Handschriften, von denen eine nachweisbar für den französischen König VIII. angefertigt wurde. Es handelt sich bei beiden Werken um Andachtsbücher, die allgemein in Frankreich und Flandern sehr verbreitet waren. 

Das Stundenbuch für den König wird mit dem Pariser Verleger und Buchhändler Anthoine Vérard in Verbindung gebracht. Im Vergleich zu anderen Stundenbüchern besitzt es ein herausragendes Merkmal. Dieses besteht darin, dass es fortlaufende Bildgeschichten um jede Textseite zeigt, die von Erläuterungen in französischer Sprache begleitet werden. 

Man erfährt Näheres über das wenig glückliche Leben Charles VIII, aber auch über seine Affinität zu Büchern. Dabei muss man wissen, dass er als Förderer der Künste und Literatur sehr früh schon und auch unbeirrbar seinen Weg verfolgte. Er besaß eine große Leidenschaft für schöne Bücher, deren Inhalte und deren Herstellung er hegte. 

Auch über den Verleger Anthoine Véraud wird man aufgeklärt, der seinem König das berühmte Stundenbuch schenkte. 

Ausführlich wird man über den Inhalt des Werks unterrichtet und kann sich in das Bildwerk vertiefen. Die Broschürenhistorien- das sind die fortlaufenden Bilderzählungen in den Bildrändern- werden textlich sehr gut begreifbar gemacht. Der Text der Bußpsalmen wird  übrigens beeindruckend von den Weissagungen der Sibyllen flankiert. 

Unmöglich ist es, all die Einzelheiten hier in der Rezension zu benennen, die in dieser Studie zum Stundenbuch zu Sprache kommen. Interessant ist es, soviel kann gesagt werden, die Gemeinsamkeiten der beiden eingangs erwähnten Manuskripte (Handschriften) kennenzulernen und dem wissenschaftlichen Anliegen Nettekovens  nachzuspüren.

Ein wunderbares Buch, das den Leser mit einem ganz berühmten Werk vertraut macht und uns verdeutlicht, wie viel Können und Zeitaufwand eine solche Kostbarkeit bedurfte. 

Empfehlenswert.

Helga König

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Rezension: Lesen –Steve McCurry

Das Vorwort zu dem bemerkenswerten Fotoband hat der amerikanische Reiseschriftsteller Paul Theroux verfasst. Der Fotograf und Fotojournalist Steve McCurry, der die Bilder für das Buch realisierte, wurde vielfach ausgezeichnet und schreibt eingangs, dass seine Fotos lesender Menschen eine persönliche Hommage an den legendären Fotografen André Kertéz seien, dessen Fotografien lesender Menschen zu dessen eindringlichsten Bildern zählten. 

Bevor man das mehrseitige Vorwort von Paul Theroux studieren kann, erhält man einen Einblick in eine berühmte Bibliothek in Rio de Janeiro. Ein junges Mädchen steht auf einer Leiter, die an eine Bücherwand angelehnt ist und liest ein Buch. Lesebegeisterte sind natürlich neugierig, um welches Buch es sich handelt. Wir werden es nicht erfahren. Ein Eindruck bleibt: Lesen ist ein Ausdruck von Neugierde. 

Theroux reflektiert in seinem Vorwort das Lesen, das für ihn eine ernste Angelegenheit ist, eine Zuflucht und Erleuchtung, eine Erfahrung, die zuweilen offen zutage tritt. Er hat sogar den Eindruck, dass vom lesenden Menschen etwas Strahlendes ausgeht. Theroux lässt den Leser nicht im Ungewissen, dass er selbst ein hochgebildeter Leser ist und verrät, dass er als Kind eine Vorliebe für Abenteuerbücher entwickelte. Er erwähnt den Wettstreit "Schulbücher" gegen "alle anderen Bücher", sprich die Pflichtlektüre gegen jene Werke, die Freude schenkten.

Zu Recht weist Theroux darauf hin, dass es sich um einen ein weit verbreiteten Irrtum handele, dass die Erfahrung mit Büchern aus einem Leser einen Schriftsteller mache. Theroux liest nur selten die neuesten oder die angesagtesten Bücher, weil er nicht abgelenkt werden möchte. In seinen Augen sind die Fotografien von Steve McCurry wunderbar. Diesem Urteil schließe ich mich nach dem ausgiebigen Studium des Bildbandes an. 

Die Fotos sind über mehrere Jahrzehnte hinweg in verschiedenen Ländern aufgenommen worden. Es ist wohl wahr, die Bilder dokumentieren die Selbstvergessenheit des Lesers und schenken den Eindruck purer Freude. Jedes Foto erzählt eine Geschichte. Das gilt für die beiden Mönche, die vor dem Tempel von Bakong in Kambodscha in Bücher vertieft sind, ebenso wie für die schöne, junge Frau, die in einer Bar in Kapstadt es vorzieht, einen Roman zu lesen, anstelle sich für ihr Umfeld zu interessieren. Es gilt auch für einen auf dem Boden sitzenden Händler in Kabul, der einer Frau, die eine Burka trägt, etwas vorliest, aus einem Gedichtband wie es scheint. 

Eine betagte Asiatin, liest selbstvergessen in Lourdes in einem Gebetbuch und ebenso selbstvergessen liest ein junger Mann in Chiang Mai in Thailand in einem Buch, von dem man annimmt, dass es voller Poesie ist. Der Gesichtsausdruck des Lesenden lässt diesen Schluss zu. 

Das Foto, das am meisten berührt, zeigt im Vordergrund einen jungen Mann mit Turban, der im Rollstuhl sitzt. Er hat die Beine verloren. Daneben steht ein lachendes Kind auf Krücken, das ebenfalls keine Beine mehr hat. Der junge Mann liest dem Kind etwas aus einem Buch vor, das offenbar witzige Karikaturen enthält und beide gehen gedanklich auf Reisen. Die Lektüre lässt sie den schlimmen Zustand, in dem sie sich befinden, für Momente vergessen. Ein Buch kann Balsam für die Seele sein.

Irgendwo in Äthiopien liest ein Mädchen in ihrem Schulheft. Der Raum, in dem sie sich befindet, ist in einem desolaten Zustand. Dieses Kind wurde von der Welt alleine gelassen. Seine Hoffnung ist die Bildung. 

Alle Fotos zeigen, der Lesende vergisst sich selbst, geht auf Reisen und kommt in der Welt des Geistes an, einer Welt, die Freiheit verspricht, wenn man sich keine Denkbarrieren aufbaut. Ein Lesender ist ein Suchender, der fast immer etwas findet.

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Harald Wolff- Malerei und Zeichnung- Ausgewählte Arbeiten 1987-2013

Dieses reich bebilderte Werk enthält unzählige Abbildungen von Gemälden und Zeichnungen des Künstlers Harald Wolff. Der gebürtige Berliner studierte an der Hochschule der Künste Berlin, arbeitete anschließend künstlerisch in Florenz und danach in Haifa. 1978 wurde er Meisterschüler von Martin Engelman, bekam 1991 ein Arbeitsstipendium im Kulturzentrum Salzau und hielt sich im Jahre 2000 in Slowenien auf, um dort künstlerisch tätig zu sein. Von 2003- 2013 setzte er dann sein Schaffen in Cevezza in Italien fort. 

Auf den letzten Seiten des Buches kann man  sich einen Eindruck verschaffen, wo dieser Künstler bereits überall seine Werke ausgestellt hat, sei es im Rahmen von Einzelausstellungen oder Ausstellungsbeteiligungen. Die Liste der Ausstellungsorte beeindruckt.

Vor der Bilderschau hat man die Chance, zwei Essays zu Harald Wolff  zu lesen. Der erste Essay stammt von Wolfgang Zemter und trägt den Titel "Annährung an Bildfindungen". Den zweiten Essay hat Peter H. Schiller verfasst. Sein Titel lautet "Harald Wolff". Die Texte sind in deutscher, englischer und französischer Sprache abgedruckt. Hier erfährt man nicht zuletzt, dass Harald Wolff mittels seiner Bilder Geschichten erzählt und seine Szenen und Figuren Momentaufnahmen sind, die sich in Abläufen von Zeit und Raum bewegen. Im Kosmos dieses Künstlers dominiert die Gegenständlichkeit. Sie ist es, die alle anderen Elemente, derer sich der Künstler bedient, in gewisser Weise beherrscht. 

Farbe dienen Wolff als Emotionsträger. Dabei wird unser gesamter unbewusster Erfahrungsschatz abgerufen und aktiviert. Es sind Farbträume, denen man hier fasziniert gegenübersteht und auf die man sich gerne einlässt. Doch da ist noch weitaus mehr, was den Betrachter in den Bann zieht. 

Zunächst werden ausgewählte Arbeiten aus dem Bereich der Malerei gezeigt. Neben den wunderbar harmonisch anmutenden Farbkompositionen und den zumeist lebensbejahenden Motiven, ist es die Bewegung und Geschwindigkeit, welche den Bildern innewohnt und die so unglaublich begeistert. 

Es macht Freude sich diese Werke immer wieder anzusehen. Viele erscheinen wie intensive Huldigungen an das Kommunikative und die Bewegung. Man denkt spontan an den Götterboten Merkur und hat den Eindruck, dieser habe den Künstler subtil beeinflusst. 

Auch die wunderbaren Zeichnungen in der Folge sind voller rascher Bewegung und lassen den Eindruck entstehen, das alles, was man wahrnimmt, miteinander kommuniziert.  Das verleiht diesen Bildern Aktualität. Sie bilden den kommunikativen Zeitgeist ab. 

Wolff ist äußerst kreativ, erfindet seine Bilderwelten, die  seine reiche Fantasie dokumentieren,  stets aufs Neue und doch mit unverkennbarer Handschrift. Dabei kommt der ein oder andere Bildinhalt äußerst humorig daher. Man ist amüsiert und zugleich neugierig. 

Diese niveauvolle Kunstpräsentation macht niemals melancholisch, sondern stimmt nahezu immer vergnügt, fordert  uns als Betrachter intellektuell und fasziniert durch die Farben. Was kann man von einem Gemälde oder einer Zeichnung mehr erwarten?

Hier malt und zeichnet ein Mensch, der die Leichtigkeit des Seins im Herzen spürt und eindeutig frankophil ist. Seine Werke betrachten zu dürfen, vermittelt das Gefühl in einer Welt angekommen zu sein, wo man gerne verweilt und den Moment genießen möchte. Kraftvolle Farben verkünden intensives Leben und Lebendigkeit.

Ein gelungenes und dabei sehr schönes Buch. Ein Fest für die Augen.

Dieser Künstler lebt erkennbar im Einklang mit seinen Werken. Das fasziniert mich ganz besonders.

Sehr empfehlenswert

Helga König

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John Baldessari- The Städel Paintings- Städel- Hirmer

Dieses bildreiche Werk, dessen Texte in deutscher und englischer Sprache zu lesen sind, befasst sich mit neuen Werken des Künstlers John Baldessari. Er ist einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Konzeptkunst. 

Mittels seiner Werke zeigt das Städel Museum lebende Kunstgeschichte. In den Bildern für die Ausstellung nutzte der Künstler Bilder des Museums und realisierte Bildcollagen, die unterschiedliche Gemälde des Hauses reflektieren. 

Meisterwerke wie das Paradiesgärtlein und solche von Lucas Cranach Agnolo Bronzino, Adam Elsheimer oder Maria Lassnig werden durch John Baldessari als visuelles Material aufgeladen und mit dialogischem Textmaterial in Beziehung gesetzt. So entsteht ein Gegen- und Miteinander, das alte wie neue Kunst gleichermaßen in ihrem kunsthistorischen aber auch institutionellen Kunstsystem befragt. 

Baldessari entwickelte als einer der bedeutendsten Vertreter der Konzept- und Medienkunst einen unverwechselbaren Bildbegriff zwischen Malerei und Fotografie, zwischen Text und Bild. Für seine Arbeiten verwendet Baldessari häufig "Found Footage", so etwa aus den Quellen der Massenmedien und lässt auf diese Weise konträre Motiv-und Inhaltswelten entstehen. 

Wie Max Hollein, der Direktor des Städel Museums festhält, sind die malerischen Bildbearbeitungen Baldessaris eine weitere Ebene des vielschichtigen Werkes. Dabei komponierte dieser Künstler durch sich verschränkende Materialien und Medien Bildräume, die eine neue komplexe Bedeutung kreieren. 

Martin Engler, der Herausgeber des Katalogs wartet mit einem Essay mit dem Titel "Von der Konzeptkunst und Metaphern Malerei nach dem Ende der Malerei" auf, der allein schon deshalb lesenswert ist, um die Werke des Künstlers besser zu verstehen. 

Hier erfährt man auch, dass Baldessaris Bilder dort interessant werden, wo sie den Zwischenraum – die kreative Leerstelle- zwischen Text und Bild, zwischen Malerei und Fotografie, zwischen Lesen und Sehen fokussieren. 

Für den Künstler ergibt sich dort Bedeutung, wo zwei Dinge zusammen kommen. 

Sich mit den Werken des Konzeptkünstlers zu befassen, ist nach meinem Dafürhalten mehr ein intellektuelles als ein ästhetisches Vergnügen, aber lohnenswert allemal. Hier wird Kunst zum kommunikativen Event.

Empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Arkadien oder Die Abstraktion hat noch nicht begonnen- Markus Lüpertz-Hirmer

.../ ist die Nachtigall vielleicht die letzte Poetin/singt sie doch wunderschön den Abend an-/ ..(175)

Autor dieses poetischen Werkes ist der Maler, Bildhauer und Poet Prof. Markus Lüpertz.

"Arkadien" präsentiert sich hier als ein monumentales, philosophisches Gedicht, das mit Werken des Künstlers illustriert ist.

Was versteht man unter dem Begriff "Arkadien"?

Vor einiger Zeit habe ich einen Bildband des Künstlers Gerhard Almbauer mit dem Titel "Arcadia" rezensiert. Dort erfährt man, dass Arcadia, zu deutsch Arkadien, uns zum Peleponnes nach Hellas zu unserer Wiege der Kultur führt. Der Ort war in der griechischen Geschichte bekannt als Ort der "Glückseligkeit", bzw. zumindest der gesellschaftlichen Freiheit.

Die Abbildungen einzelner Werke von Lüpertz in seinem Buch erinnern an Szenen aus dem fernen Arkadien und der poetische Text lässt uns eintauchen in eine Wortwelt, die uns den Ort der Glückseligkeit verwirrend nahe bringt und dabei irgendwie als Erinnerung in Frage stellt.

Lüpertz schreibt "Jede Wahrnehmung ist nur Erinnern/und Geschichte eines Gestern/oder Geschichten eines Gestern, die schon in der Absicht des Erzählens gewesen und illustrativ-/ erzählt wird das Passierte/ vorgeführt als illustrierte Erinnerung, /aber die Darstellung des Erinnerten ist nicht Kunst, /bestenfalls Berichterstattung/und damit Literatur und unkontrolliert wahr./Diese unkontrollierte Wahrheit aber/führt zu Brüchen und Provokationen,/die das Artistische brauchen/und das Originelle predigen." (39).

Dieser Dichter skizziert Arkadien  in seinem Poem als ein Land, "das auf Katzenpfoten durch die Welt geistert,/ sich durch Kriege windet/ und im Frieden Blumen sät-/ein Land, /in dem die Nacht hell klingt/ und man das Morsen der Sterne lesen kann,/ein Land/ in dem der Tag Schatten spendet,/ einen Schatten zum Verweilen,/ einen Schatten, den nicht das abgedeckte Licht gebiert, sondern ein Geschenk im Licht." (95)

Immer wieder bestaunt man Wortbilder wie "Du zogst eine Spur der Willkür in mein ordentliches Steingebet!/ Verwirrtest meine Schmetterlinge!/Erschrecktest meine Nachtigallen" und fühlt sich Seite um Seite mehr erinnert an Träume, die wir alle immerfort gemeinsam träumen, jeder auf seine Art, irgendwann, irgendwie, irgendwo, "….erinnert der Mensch sich seiner Welt/ist alles/ was wir wahrnehmen/ ein Erinnern.." (171)

Irgendwann dann… Eros, unschön "verklemmt sich das Glied/angesägt vom Reißverschluss/ an der eilig hoch gezogenen Hose", … auch das ist der hektische Mensch, jenseits von Arkadien, der den Turmbau von Babel zu verantworten hat als "spießigsten Versuch die Götter abzuschaffen." (201)

Dann liest man "Über das Freisein" und denkt, aha, der Philosoph von Arkadien! Wie spannend. Was er uns wohl mitzuteilen hat? 

Ein wichtiger Gedanken in diesem griechischen Freiheitspoem lautet: 

"Die nicht motivierte Freiheit schafft zum Beispiel den Respekt ab. Diese Freiheit kennt kein Wertgefühl". (222)

Dem Gedanken stimmt man sofort zu, besonders dann, wenn man Orte uneingebremster Willkür kennt.

Es folgen die  Freiheitslieder von Arkadien im Bewusstsein der Vergänglichkeit: 
"freilich singt die Sonne 
jeden Abend und versinkt 
in Freiheit." (235)

Dieses Werk ist ein poetisches Wortgemälde, das sich mit einem Sehnsuchtsort auseinandersetzt, der sich in den eingebundenen erotischen Zeichnungen widerspiegelt und eines vor allem möchte, den vergessenen Zuhörer packen und zwar dort, wo er  sich gerne verliert: im Erinnern.

Sehr empfehlenswert.

Helga König

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Rezension: Östlich der Sonne und westlich des Mondes- Märchen aus dem Norden, illustriert von Kay Nielsen- TASCHEN

Dieses Buch aus dem Verlag TASCHEN enthält 16 Märchen, gesammelt von Peter Christen Asbornsen und Jorgen Engebretsen Moe. Zu einer künstlerisch wertvollen Publikation wird das Werk aufgrund seiner Illustrationen des Gestalters, Künstlers und Erneuerers Kay Nielsen.

Noel Daniel schreibt im Vorwort viel Erhellendes über die Ursprünge der berühmten norwegischen Volksmärchen, bevor man in einem Essay von Kendra Daniel über Leben und Werk des Künstlers Kay Nielsen unterrichtet wird. Dieser begnadete Illustrator war in seinem Metier international überaus erfolgreich und fand in Dänemark, England und in USA große Anerkennung als Buchillustrator, Bühnenbildner, Wandmaler und Disney-Zeichner

Im vorliegenden Buch treten seine dänischen Wurzeln zu Tage, wobei er sich jeglicher Sentimentalität enthält. In dem 1914 erschienenen Buch "Östlich der Sonne und westlich des Mondes" findet man zahlreiche Referenzen versammelt, so u.a. die Einfachheit der japanischen Blockdrucks oder aber die opulenten Kostüme und Bühnenbilder, mit denen die Ballets Russe 1909 bei ihrem Paris-Debut überall in der Welt die Fantasien der Menschen beflügelten. Dabei ist die zeichnerische Eleganz des Künstlers stets unverkennbar.

In "Östlich der Sonne und westlich des Mondes" illustriert Kay Nielsen Märchen über Prinzen und Prinzessinnen, die wie der Inbegriff nordischer Kühle und Kargheit erscheinen. Obschon es bei seinen Illustrationen auch hässliche Kobolde und Trolle gibt, liegt sein Schwerpunkt auf langgliedrigen, anmutigen, schönen Edelleuten, die in ihrer Originalität sehr lebendig daherkommen.

Colin White schreibt in dem dann folgenden Essay über die Buchillustration als eigenständige Kunst und verdeutlicht, weshalb die Illustration von Geschenkbüchern beispielsweise dem literarischen Inhalt ebenbürtig wurde.

Der Inhalt der einzelnen Märchen ist jeweils zu Beginn eines jeden Märchens zusammen gefasst. Diese Maßnahme ist sehr lobenswert, denn der Bildbetrachter weiß noch bevor er sich in die fantasievollen Texte vertieft, welchen Inhalt die Illustrationen transportieren sollen.

Dieses Buch lädt zum Träumen ein, sowohl was die Texte als auch was die Bilder anbelangt. Dabei sind die Illustrationen von solch beeindruckender Ästhetik und Poesie, dass sie den Betrachter immer wieder staunen und fast vergessen lassen, dass hier Märchen darauf warten, gelesen oder vorgelesen zu werden.

Sehr empfehlenswert. 

Helga König

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Rezension: Havana- Bernhard Hartmann- teNeues

Die Bilder für dieses schöne Buch hat der Fotograf Bernhard Hartmann realisiert. Er wurde in Frankfurt geboren und arbeitete schon in jungen Jahren als Fotograf für eine große deutsche Zeitung. In seinem Jurastudium befasste sich der Autodidakt mit Landschafts- und Architekturfotografie. Seither wurden viele seiner Fotografien mit Preisen ausgezeichnet. 

Dieser Bildband ist der morbiden Hauptstadt Kubas gewidmet. Der Schriftsteller Alejo Carpentier skizzierte diese karibische Metropole einst wie folgt: "Havanna ist die Stadt des Unfertigen, des Mangelhaften, des Verwahrlosten." Dies soll sich seither nicht geändert haben, liest man zu Anfang des Buches und findet dieses Urteil in den Bildern bestätigt. 

Das bauliche Erbe sei hochgradig gefährdet. Allein im Zentrum befänden sich 3500 Häuser in einem ruinösen Zustand und zahlreiche andere seien bereits zerstört, wird man  in die Bilderwelt eingeführt. 

Bernhard Hartmann vermittelt in diesem Fotoband einen facettenreichen Eindruck von dieser morbiden Stadt, der man wünscht, dass sie endlich vollständig restauriert wird. Der Stadthistoriker Eusebio Leal hat dafür gekämpft, dass Gelder aus dem Tourismus in die Restaurierung der Altstadt geflossen sind, um auf diese Weise einigen architektonischen Perlen das Leben zu retten. Ein Tropfen auf den heißen Stein, mehr scheint dies nicht bewirkt zu haben.

In erster Linie, das dokumentieren die vorliegenden Bilder, präsentiert sich in Havanna erschreckender Niedergang, bröckelnder Putz, rissige Wände, ausgetretene Stufen und Wohnen in desolaten Räumen. Die Vergänglichkeit allen Seins übt zwar eine gewisse Faszination  auf den Betrachter aus, doch leben möchte man so nicht. 

Versöhnt ist man, wenn man renovierte Räume in dieser untergehenden Stadt bewundern kann, weil sie Hoffnung schenken und zeigen, was möglich ist. Natürlich fragt man sich, wer in "Casa Lucrecia"oder in "Casa Ronaldo" lebt und wer bestochen werden musste, damit diese Innenräume in neuem Glanz gestaltet werden konnten. 

Wunderschön ist die alte, restaurierte Apotheke, von deren Innenleben man einen sehr guten Eindruck erhält. Faszinierend aber auch sind majestätisch anmutende Treppenaufgänge, die eine vor langer Zeit schon untergegangene Welt erahnen lassen. 

Die Bilder, fotografische Meisterleistungen, regen die Fantasie an. Immer wieder versuchen die Augen das, was sie sehen, zu heilen, weil sie den schaurig schönen Tod alter Bausubstanz  nicht ertragen können. 

Empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Alegria Do Brasil- Fritz Steisslingers späte Brasilienbilder- belser

Herausgeber dieses Bildbandes ist Stefan Borchardt. Gemeinsam mit Frederica Steisslinger hat er das Vorwort zur vorliegenden Publikation verfasst. Damit man sich einen Eindruck verschaffen kann, wer der Künstler Fritz Steisslinger war, empfehle ist zunächst die Kurzbiografie zu Ende des Buches zu lesen. 

Der 1891 in Göppingen geborene Künstler studierte an der Kunstgewerbeschule in München, später an der Kunstakademie bei den Professoren Uhde und Stuck, anschließend an den Kunstakademien in Rom und Venedig. 1919 heiratete er die Deutsch-Brasilianerin Elisabeth Haasis. Drei Jahre hindurch arbeitete er als freischaffender Maler in Seeburg bei Urach und wurde Mitglied der Stuttgarter Sezession. Von1929-1931 lebt er in Berlin-Charlottenburg und hat Kontakte mit Max Liebermann, Alfred Flechtheim, Alfred Kerr und Julius Meyer-Graefe.1931 kehrt er nach Böblingen zurück und reist von da an immer wieder nach Brasilien. 1957 stirbt der Künstler in Tübingen. 

Die vorliegende Publikation enthält einige  aufschlussreiche Textbeiträge unterschiedlicher Autoren zum Künstler und dessen Werk. Hervorheben möchte ich den Essay "Begegnungen mit dem Unbekannten- Fritz Steisslingers Blick auf das Fremde." Hier liest man, dass der Maler im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen im Fremden- in diesem Fall in Brasilien- einen Sehnsuchts- und Zufluchtsort sah. Die dort gesammelten Eindrücke eröffneten ihm eine geradezu unerschöpfliche Inspirationsquelle. 

Seine zweite Reise im Jahre 1947 führt dazu, dass er bei aller Befreiung des Pinselschwungs eine große Realitätsnähe schafft. Hierdurch transportiert er einen emotionalen Einblick in die brasilianische Lebensart.

Sich mit den Bildtafeln zu befassen, heißt einen Eindruck von der brasilianischen Landschaft, dem satten Grün dort zu gewinnen und die Ruhe zu erfühlen, die von den gemalten Orten ausgeht. 

Die Porträts von Brasilianern dokumentieren den freundlichen Zugangs des Künstlers zu dem Fremden, das sich ohne Scheu ihm öffnet. 

Wer mehr über den Künstler und dessen Werk erfahren möchte, findet in diesem Buch reichlich Gelegenheit dazu. 

Empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: The Floating Piers- Christo an Jeanne- Claude- TASCHEN

Dieses reich bebilderte Buch aus dem Verlag TASCHEN zeigt wie das Projekt "The Floating Piers" entstanden ist und wie es im Ergebnis aussah. Es handelt sich dabei um das Projekt, das es ermöglichte, dass vom 18. Juni bis zum 3. Juli 2016 einhundert Kilometer östlich von Mailand und zweihundert Kilometer westlich von Venedig Tausende von Menschen auf dem Iseosee, vergnügt zu wandeln vermochten. 

Die Künstler Christo und Jeanne –Claude arbeiteten seit 1961 gemeinsam an zahlreichen, spektakulären Kunstprojekte. 2009 verstarb Jeanne Claude.  Christo ist allerdings noch immer aktiv.

Für die beiden Künstler wurden 70 000 Quadratmeter glitzernder gelber Stoff über ein modulares Schwimmdocksystem aus 220 000 hochverdichteten Polyethylenwürfeln gelegt, um auf diese Weise vorübergehend einen drei Kilometer langen Steg über die Oberfläche des Iseosees zu bilden. Dadurch wurde das Festland mit den Inseln Monte Isola und San Paolo verbunden. 

Die Stege waren 16 Meter breit und etwa 40 Zentimeter hoch. Dabei waren sie an den Seiten abgeschrägt. Von den umliegenden Bergen konnte man das Projekt aus der Vogelperspektive betrachten. 

Im Buch werden Christos Skizzen, Modelle, Dokumente und Entwürfe zusammengestellt, damit die vollständige Entstehungsgeschichte dieses vom Wasser getragenen Kunstwerkes dokumentiert werden kann. Indem sämtliche Details- von den Genehmigungsverfahren bis zur Stoffherstellung- einbezogen worden sind, wird nicht nur Christos einzigartige schöpferische Vorstellungskraft dargelegt, sondern auch der enorme technische, bürokratische und logistische Aufwand aufgezeigt, der diese Ideen zum Schwimmen brachte. 

Der Autor und Fotograf Wolfgang Volz arbeitet mit dem Künstlern Christo seit 1971 zusammen und ist der Exklusiv-Fotograf der Werke von Christo und Jeanne –Claude. Jonathan William Henery ist der Sohn von Jeanne-Claudes Schwester Joyce May Henery. Auch er hat ähnlich wie Wolfgang Volz an zahlreichen Publikationen mitgewirkt. Diese beiden Männer haben die vielen wunderbaren Fotos und Kommentare im Werk verfasst.

Es ist spannend, sich in diesem Buch mit dem unglaublichen Projekt zu befassen und zu begreifen, welcher Traum hier Wirklichkeit wurde. Die emotionale Bedeutung der Farbe Orange, die für den Stoff ausgewählt wurde, ist Geselligkeit und Freude. Gemeinsam über den See zu wandeln, kann genau diese Emotionen bewirken. Die symbolische Bedeutung dieser Farbe ist nicht zuletzt Harmonie und Heiterkeit. Auch dieses Empfinden wurde auf dem Kunstevent ausgelöst, wie die Bilder zeigen. 

Es macht Freude, das fröhliche Miteinander zu betrachten, auch wenn man dessen Endlichkeit mitdenkt, da man begreift, dass diese Freude jederzeit an allen Orten dieser Welt wieder gestaltbar ist.  

Alle staunenden  Betrachter des Projektes wissen nun für immer, dass ein gemeinsamer Weg möglich ist. Dies hat ein Künstler uns gezeigt und damit das Göttliche an der Kunst offenbart.

Empfehlenswert. 

Helga König

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Rezension: Wie ich mich sehe- Frauen im Selbstporträt- Frances Borzello- Brandstätter

Die promovierte Kunsthistorikerin Frances Borzello bereichert anhand von 200 Künstlerinnen und ihren Werken- vom Mittelalter bis in die Gegenwart, von Handschriftillustrationen über Malerei und Skulptur bis zu Fotografie und feministisch geprägter Performance die Kunstgeschichte um ein neues Kapitel. 

Dabei betont die Autorin eingangs, dass Selbstporträts niemals bloß eine harmlose Wiedergabe des Bildes sind, das eine Person sieht, sobald sie in den Spiegel blickt, sondern vielmehr Teil der Sprache, deren sich die Malerei bedient, um zu kommunizieren: vom simplen "So sehe ich aus" bis hin zum komplizierten "Daran glaube ich". 

Die Beweggründe für Selbstbildnisse sind unterschiedlich und jene zwischen Männern und Frauen unterscheiden sich nochmals voneinander. Einige Unterschiede sind zeitbedingt. So war das 16. Jahrhundert die Blütezeit der Musikerinnen-Bilder und zu Ende des 19. Jahrhunderts gab es vor allem Mütter-Darstellungen. 

Borzello versucht die Bilder zu entschlüsseln, indem sie diese als gemalte Autobiografie betrachtet, sprich als Mittel, mit dem die Künstlerin der Öffentlichkeit etwas erzählen konnte. In der Bildsprache eines Selbstporträts liest man -Pose, Gesten, Gesichtsausdruck und Attribute- und  kann diese mit den Vorstellungen der jeweiligen Zeit vergleichen. 

Die Nachfragen nach Selbstporträts soll sich in der Renaissance entwickelt haben. Nicht selten dienten diese Selbstporträts einem ähnlichen Zweck wie heute die Fotografie, doch sie waren auch für die Werbung gedacht. 

Malerinnen lebten damals einer Art Parallelwelt zur Männerwelt. Darüber erfährt man Näheres und auch, dass jene Frauen mit genügend Energie, Talent und Unterstützung einen Weg in besagter Parallelwelt finden konnten. Dabei war es weitaus komplizierter mit nicht greifbaren Vorurteilen umzugehen, beginnend mit Klischees über Frauenkunst bis hin zu herablassenden Meinungen über die künstlerischen Fähigkeiten von Frauen. 

Die Kunstwelt blieb lange eine männliche Domäne. Erst vor kurzem hat sich dies geändert. Das Leben in der Parallelwelt beeinflusste  allerdings die Selbstporträts der Frauen. Dabei vermochte keine Künstlerin sich es zu leisten, die Regeln zulässiger weiblicher Gestik und Kleidung zu ignorieren. Viele Konventionen mussten die Malerinnen berücksichtigen, um dem Spott zu entgehen.

Im Buch werden im Rahmen von sechs Kapiteln die einzelnen Epochen weiblicher Selbstdarstellung beleuchtet. Beginnend mit den Anfängen im 16. Jahrhundert bis zu dem Tabubrüchen des 20. Jahrhunderts und endend mit einem Blick in die Zukunft. 

Auf die 200 Künstlerinnen und ihre Werke hier näher einzugehen,  führt allerdings zu weit. Borzello fordert auf, Frauen-Selbstbildnisse als eigene Bildgattung zu würdigen und nennt die Gründe hierfür. 

Im Hier und Heute findet durch das "Selfie"  eine Demokratisierung des Selbstporträts statt. Dabei sei es denkbar, dass sich das "Kunst-Selfie" als reizvolles Medium entpuppen könne, das selbstkritisch und auch lustig daherkomme. 

Alles in allem, ein interessantes Buch mit vielen beeindruckenden Bildern von Frauen, die Neugierde erzeugen. So auch das Selbstporträt von  Angelica Kauffmann, 1787, einer  schöne Frau, die Goethe gewiss sehr gefallen hat. 

Sehr empfehlenswert. 

Helga König

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Rezension: Vollkommene Räume- Orte der Harmonie und ihre Geschichten- Karen Michels

Autorin dieses wunderbaren Buches ist die Kunsthistorikerin Dr. Karen Michels. Sie erzählt in ihrem Werk die Geschichten von fünfzehn vollkommenen Räumen. Dabei hat sie eine höchst persönliche Auswahl getroffen. Die Fragen, die sie bei der Betrachtung der Räume beschäftigten, sind: "Was macht ihre Wirkung eigentlich aus?" und "Welche Geschichten verbergen sich hinter ihren Mauern?".  

Der Schlüssel zum Verständnis soll die Harmonie sein. Diese hat die Bedeutung von Spannung und dynamischem Gleichgewicht. 

Den fünfzehn die Räume erläuternden Kapitel wurden nicht nur Fotos, sondern auch literarische oder historische Texte beigefügt. Diese sollen den jeweiligen Raum "noch einmal auf eine andere Weise zum Sprechen bringen". 

Man erfährt im Buch Näheres zu nachstehenden Gebäuden: 
Das Pantheon, Rom 
Die Aachener Pfalzkapelle
Die Hagia Sophia 
Die Cappella Palatina, Palermo 
Den Löwenhof der Alhambra, Granada 
Das Collège des Bernadins, Paris 
Die Pazzi-Kapelle, Florenz 
Der Hamam Cemberlitas, Istanbul 
San Carlo Alle Quattro Fontane, Rom 
Der Spiegelsaal der Amalienburg, München 
Place des Vosges, Paris 
Lesesaal der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, Hamburg 
Der Barcellona-Pavillon 
Der große Konzertsaal der Berliner Philharmonie 
Die Bruder-Klaus-Feldkapelle, Mechernich-Wachendorf 

Unmittelbar nach der Fertigstellung der Aachener Pfalzkapelle wurde Karl der Große in Rom zum Kaiser gekrönt. Der Bau wurde als Achteck gestaltet, das von einem sechszehnseitigen Umgang umgeben ist. Dabei gilt die Acht in vielen Religionen als Zeichen der Vollendung und des Neubeginns in einer anderen Dimension. Die Wände des Oktogons und sein sechszehneckiger Umgang sind prachtvoll mit farbigem Marmor und Stuck verkleidet. Dessen Qualität und Verarbeitung stellt die ästhetische Verbindung zu den berühmten Großbauten byzantinischen Ursprungs dar.

Es ist sehr spannend, mehr über die Architektur dieses und all der anderen Gebäude im Buch in Erfahrung zu bringen und sich jeweils im Anschluss in die literarischen Texte zu vertiefen. 

Sehr gut gefallen hat mir der Text von Otto von Simson "Über das Licht". Dieser Text, der der Präsentation des Colléges des Bernardins in Paris folgt, thematisiert das Licht als Quelle und eigentliches Wesen aller sichtbaren Schönheit. Für die Denker jener Zeit soll Schönheit kein unabhängiger Wert, sondern die Ausstrahlung, der Glanz der Vollkommenheit des Seienden und diejenige Eigenschaft der Dinge gewesen sein, die ihren Ursprung widerspiegelt. Ähnlich wie musikalische Harmonien soll das Licht Einblick in die Vollkommenheit des Kosmos gewähren und etwas von der Macht des Schöpfers erahnen lassen. 

Man sollte in diesem Buch immer wieder lesen, um zu begreifen, wie wahr der nachstehender Satz von Leon Battista Alberti ist: "Die Schönheit ist eine Übereinstimmung und ein Zusammenklang der Teile zu einem Ganzen, das nach einer bestimmten Zahl, einer Beziehung und Anordnung ausgeführt wurde, wie es das Ebenmaß, das heißt das vollkommenste und oberste Naturgesetz erfordert." (S.91)

Sehr empfehlenswert 
Helga König

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Rezension: #Käthe_Kollwitz –Die Plastik- #Hirmer

Autorin dieses Bildbandes ist Annette Seeler. Die Ausstellungskuratorin lebt in Berlin und befasst sich seit über 25 Jahren mit dem Werk und der Person von Käthe Kollwitz. Diese Beschäftigung führte zu zahlreichen Publikationen und Ausstellungen. 

Über die deutsche Graphikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz (8.7.1867- 22.4.1945) erschien im letzten Jahr, anlässlich ihres 70.Todestages eine Biographie mit dem Titel  "Kollwitz", verfasst von Yuri und Sonja Winterberg, die ich auf "Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiert habe.

Am 22. April 1985 wurde in Köln das Käthe Kollwitz-Museum gegründet. Es handelt sich hierbei um die bislang umfangreichste Sammlung ihrer Werke, deren Themenkreis Krieg, Armut und Tod, auch Liebe, Geborgenheit und das Ringen um Frieden zum Ausdruck bringt. 

Anlässlich des 30. Jubiläums des Museums wird dort vom 4.März bis zum 5. Juni 2016 im Rahmen einer Ausstellung das plastische Werk in Gips, Stukko, Bronze und Zink gezeigt. Das Käthe Kollwitz Museum Köln veröffentlicht zum Jubiläum das erste Werkverzeichnis der Plastik dieser Künstlerin.

Begleitend dazu stellt eine groß angelegte Ausstellung aller 15 museal greifbaren Plastiken in unterschiedlichen Güssen das bildhauerische Schaffen der Künstlerin in den Fokus. Die Ausstellung mit insgesamt 140 Exponaten, darunter alleine rund 50 plastische Arbeiten, dokumentiert das zwei- und dreidimensionale Schaffen der Kollwitz im Dialog. 

Die Bildhauerin hat Bildideen aus ihrem graphischen Werk auch plastisch realisiert – und umgekehrt. Ihre bildhauerischen Werke führte die Künstlerin als Ton- und anschließend als Gipsmodell aus. Von verschiedenen Gießereien in Bronze, Zink, Stucco- oder Gips umgesetzt, sind sogar Abformungen im Umlauf, zu deren Existenz folgende Fragen nach sich ziehen: "Echt oder Falsch? Original oder Raubguss?"

Käthe Kollwitz kämpfte vergebens darum, in der NS- Zeit ihr Werk öffentlich zeigen zu dürfen. Das erfährt man bereits in der Einführung. 

Im Buch werden nicht nur die Bildwerke nachgezeichnet, sondern - wie schon erwähnt- auch das Bemühen ihres Sohnes Hans, das dreidimensionale Schaffen seiner Mutter erneut ins Bewusstsein zu heben. Gezeigt wird zudem u.a., wie die technische Produktion von Vervielfältigung in der Gießerei vor sich geht, aber auch, was die Spuren an einer fertigen Bronze offenlegen. 

Man wird im Rahmen sehr guter Textbeiträge mit den Werken vertraut gemacht und lernt so auch die Arbeitsweise der Künstlerin kennen. Ein weiteres Thema sind die Werkstätten von Käthe Kollwitz und der Umfang des plastischen Werkes wie auch ihre ästhetischen Vorstellungen und ihr Standort in der zeitgenössischen Bildhauerei. Über die Rezeption bis zum heutigen Tage wird man aufgeklärt, auch über den bisherigen Forschungsstand und die Quellenlage. 

Ausführlich lernt man im Katalogteil die einzelnen Werke kennen und hier auch deren Entstehungsgeschichte. Grandios und in wenigen Worten nicht beschreibbar, wird man mit Kunstwerken vertraut gemacht, die sehr nachdenklich stimmen und nicht selten Trauer auslösen.

Zum Schluss kann man sich in einer Kurzbiographie einen Überblick über das Leben von Käthe Kollwitz verschaffen und sich in ein umfangreiches Literaturverzeichnis vertiefen. 

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: #Maniera- #Pontormo, #Bronzino und das #Florenz der #Medici- #Prestel

Das ist der Katalog zur Ausstellung "Maniera- Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici", die vom 25.2. bis zum 5.6. 2016 in Frankfurt im #Städel gezeigt wird. 

Das vorliegende Werk befasst sich mit Florenz als Zentrum des europäischen Manierismus. Der Chronist besagter Epoche, der Kunsthistograf Giorgio Vasari prägte den Begriff "#maniera". Dieser bezeichnete zunächst den persönlichen Stil, die Handschrift, die "Manier" eines Künstlers. "Maniera" kann allerdings ebenso für einen Epochenstil stehen und besonders für denjenigen in Vasaris eigener Zeit. Diesen nennt man heute "Manierismus". 

Unter "maniera" sollte man keinen Einheitsstil begreifen, sondern wohl eher ein vielgestaltiges Prinzip. Max Hollein, der Direktor des Städel Museums definiert sie als eine Kunst, die sich ihres Kunstcharakters und ihrer Artifizialität in besonderem Maße bewusst ist und die dem individuellen Stil einen maßgeblichen Eigenwert zumisst. 

Die Ausstellung im Städel Museum befasst sich mit Florenz als Zentrum des europäischen Manierismus und beleuchtet die Zeit zwischen 1512 und 1568. Dabei ist der Ausgangs- und Mittelpunkt der Bilderschau ein Meisterwerk der Städel-Sammlung, Bronzinos berühmtes "Bildnis einer Dame". Dieses Gemälde gilt neben Botticellis "Simonetta" als das Hauptwerk der Frankfurter Italiener-Sammlung. 

Das Buch ist in acht Kapitel mit zeitlichen und thematischen Schwerpunkten untergliedert und nimmt seinen Anfang mit einem Essay zur Geschichte des kontroversen Begriffs "Manier, Manierismus, maniera". 

Bei den Kapiteln handelt es sich um:

Laboratorium der Maniera- Die jungen Wilden von Florenz

Anti-Klassik und Experiment- Pontormo und Rosso auf neuen Wegen

Ein Seitenblick nach Rom- Kunst unter Clemens VII. vor dem Sacco di Roma

Politischer Aufruhr und künstlerische Blüte- Florentiner Malerei der letzten Republik

Wendejahre- Bronzinos Aufstieg und der erste Herzog von Florenz

Paragone- Im Wettstreit der Gattungen

Image eines Hofes- Bronzino als Maler der Medici

Vasari- Hofkünstler Cosimos I. und Vater der Kunstgeschichte. 

Den  einzelnen Kapitel des Katalogs sind jeweils einleitende Erläuterungen vorangestellt, die erklären, worum es geht. Zudem hat man Gelegenheit, sich in drei Essays zu vertiefen. Das Bild auf dem Cover ist von #Angelo_Bronzino. Es handelt sich dabei um den Heiligen Sebastian. Wie alle anderen Werke wird auch dieses Gemälde sehr gut beschrieben.

Der Katalogteil ist facettenreich und macht viele Stunden des Studiums all der  präsentierten Werke erforderlich. Erst dann wohl  ist die Malerei der "maniera" als eines der faszinierendsten Phänomene der Kunst in Italien zu verstehen. 

Sehr empfehlenswert

Helga König 

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