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Rezension: Arkadien oder Die Abstraktion hat noch nicht begonnen- Markus Lüpertz-Hirmer

.../ ist die Nachtigall vielleicht die letzte Poetin/singt sie doch wunderschön den Abend an-/ ..(175)

Autor dieses poetischen Werkes ist der Maler, Bildhauer und Poet Prof. Markus Lüpertz.

"Arkadien" präsentiert sich hier als ein monumentales, philosophisches Gedicht, das mit Werken des Künstlers illustriert ist.

Was versteht man unter dem Begriff "Arkadien"?

Vor einiger Zeit habe ich einen Bildband des Künstlers Gerhard Almbauer mit dem Titel "Arcadia" rezensiert. Dort erfährt man, dass Arcadia, zu deutsch Arkadien, uns zum Peleponnes nach Hellas zu unserer Wiege der Kultur führt. Der Ort war in der griechischen Geschichte bekannt als Ort der "Glückseligkeit", bzw. zumindest der gesellschaftlichen Freiheit.

Die Abbildungen einzelner Werke von Lüpertz in seinem Buch erinnern an Szenen aus dem fernen Arkadien und der poetische Text lässt uns eintauchen in eine Wortwelt, die uns den Ort der Glückseligkeit verwirrend nahe bringt und dabei irgendwie als Erinnerung in Frage stellt.

Lüpertz schreibt "Jede Wahrnehmung ist nur Erinnern/und Geschichte eines Gestern/oder Geschichten eines Gestern, die schon in der Absicht des Erzählens gewesen und illustrativ-/ erzählt wird das Passierte/ vorgeführt als illustrierte Erinnerung, /aber die Darstellung des Erinnerten ist nicht Kunst, /bestenfalls Berichterstattung/und damit Literatur und unkontrolliert wahr./Diese unkontrollierte Wahrheit aber/führt zu Brüchen und Provokationen,/die das Artistische brauchen/und das Originelle predigen." (39).

Dieser Dichter skizziert Arkadien  in seinem Poem als ein Land, "das auf Katzenpfoten durch die Welt geistert,/ sich durch Kriege windet/ und im Frieden Blumen sät-/ein Land, /in dem die Nacht hell klingt/ und man das Morsen der Sterne lesen kann,/ein Land/ in dem der Tag Schatten spendet,/ einen Schatten zum Verweilen,/ einen Schatten, den nicht das abgedeckte Licht gebiert, sondern ein Geschenk im Licht." (95)

Immer wieder bestaunt man Wortbilder wie "Du zogst eine Spur der Willkür in mein ordentliches Steingebet!/ Verwirrtest meine Schmetterlinge!/Erschrecktest meine Nachtigallen" und fühlt sich Seite um Seite mehr erinnert an Träume, die wir alle immerfort gemeinsam träumen, jeder auf seine Art, irgendwann, irgendwie, irgendwo, "….erinnert der Mensch sich seiner Welt/ist alles/ was wir wahrnehmen/ ein Erinnern.." (171)

Irgendwann dann… Eros, unschön "verklemmt sich das Glied/angesägt vom Reißverschluss/ an der eilig hoch gezogenen Hose", … auch das ist der hektische Mensch, jenseits von Arkadien, der den Turmbau von Babel zu verantworten hat als "spießigsten Versuch die Götter abzuschaffen." (201)

Dann liest man "Über das Freisein" und denkt, aha, der Philosoph von Arkadien! Wie spannend. Was er uns wohl mitzuteilen hat? 

Ein wichtiger Gedanken in diesem griechischen Freiheitspoem lautet: 

"Die nicht motivierte Freiheit schafft zum Beispiel den Respekt ab. Diese Freiheit kennt kein Wertgefühl". (222)

Dem Gedanken stimmt man sofort zu, besonders dann, wenn man Orte uneingebremster Willkür kennt.

Es folgen die  Freiheitslieder von Arkadien im Bewusstsein der Vergänglichkeit: 
"freilich singt die Sonne 
jeden Abend und versinkt 
in Freiheit." (235)

Dieses Werk ist ein poetisches Wortgemälde, das sich mit einem Sehnsuchtsort auseinandersetzt, der sich in den eingebundenen erotischen Zeichnungen widerspiegelt und eines vor allem möchte, den vergessenen Zuhörer packen und zwar dort, wo er  sich gerne verliert: im Erinnern.

Sehr empfehlenswert.

Helga König

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