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Rezension: Welt im Umbruch-Kunst der 20er Jahre- Hirmer

Dies ist der Katalog zur Ausstellung "Welt im Umbruch-Kunst der 20er Jahre", die vom 9. Februar bis 19. Mai 2019 im #Bucerius_Kunst_Forum in Hamburg und ab Mai bis Juli 2020 im #Münchner_Stadtmuseum gezeigt wird. 

In der Ausstellung stehen sich Fotografie und Malerei gegenüber, nicht zuletzt wegen der weltgeschichtlichen Umbrüche und weil sich in Kunst und Fotografie zwischenzeitlich einiges ereignet hatte. So hatte sich die Malerei durch die Abstraktion von ihrer jahrhundertealten Fixierung auf naturalistische Darstellung befreit. Zudem hatte die Technik der Fotografie, die der Malerei ihr Abbildungsmonopol genommen hatte, große Fortschritte gemacht. 

Der Katalog enthält neben den Bildern der Ausstellung diverse Textbeiträge unterschiedlicher Autoren. Den Anfang macht Ulrich Pohlmann mit dem Aufsatz "Glühendes Eis. Malerei und Fotografie der 20er Jahre im künstlerischen Dialog." Pohlmann lässt die Leser wissen, dass diese Ausstellung und der Katalog dem Dialog zwischen Bildkünsten, Malerei, Fotografie und Film am Beispiel der Themen Porträt- mit besonderem Fokus auf Selbstbildnis und Akt-, Großstadtleben, Architektur, Stillleben, Industrie und Technik nachspüren. Dabei präsentiert das Kapitel "Politische Montage" eine Auswahl von Arbeiten, in denen sich gesellschaftliche Entwicklungen in der Weimarer Republik kritisch verdichten und kommentiert werden.

Die Autorinnen und Autoren der Essays befassen sich mit den verschiedenen Wechselbeziehungen der Medien zueinander. In deren Analysen, so Pohlmann werden ikonografische Ähnlichkeiten sichtbar. Die Ausstellung und das Buch beschränken sich auf Künstler, die zwischen 1918 und 1935 in Deutschland gelebt und gewirkt haben. Thematisiert werden von Ulrich Pohlmann in einem weiteren Aufsatz "Die Dinge". Etwa ungefähr ab 1922 huldigten Maler und Fotografen gleichermaßen dem Stillleben und der spezifischen Materialität von Gegenständen. Dabei ging es darum, das Gefäße, Pflanzen oder einfache Gebrauchsobjekte zumeist isoliert vor einem kargen Hintergrund in kühler Sachlichkeit erfasst werden sollten, um auf diese Weise das tiefste Wesen der Dinge zum Sprechen zu bringen. Der Fokus liegt auf dem Wechselspiel von Transparenz und Opazität. Man lernt eine Reihe solcher Stilleben kennen, beispielsweise von Otto Schön, "Atelliersstilleben" oder das "Frühstücksstillleben" von Bernhard Dörries. Beim intensiven Hinsehen beginnen die Dinge tatsächlich ein Eigenleben zu entwickeln und Botschaften zu vermitteln. 

Man erfährt von Simone Förster mehr über die Selbstbildnisse der #Neuen_Sachlichkeit und des Neuen Sehens und kann sich in Gemälde oder Fotos dieser Art vertiefen. Der Akt  auch wird thematisiert. Dabei prägt der Typus der Neuen Frau, mit Bubikopf, Zigarette und selbstbestimmtem Auftreten bis heute das Bild von der Weiblichkeit in den "Goldenen Zwanzigern". Doch es gibt auch anderes, so etwa traumartig anmutende Fotomontagen. Kennen lernt man zudem die Architekturfotografie der Zwischenkriegsjahre, auch die Maschinenkunst sowie den Technikkult und schließlich eine Reihe großartiger Individualporträts und Typenbilder. Hier zeigt sich wie in keinem anderen Genre das wahre Gesicht der 20er Jahre, das Gesicht der intellektuellen Elite, der neuen Frauen und Männer, der Arbeiters und Arbeitslosen, der Dame von Welt und der Straßendirne. Typisch ist das Gemälde "Margot"von Rudolf Schlichter und ein Foto, von Lotte Jakobi realisiert, das Erika und Klaus Mann zeigt. 

Was noch? Politische Montage. Diesbezüglich gibt es auch einen sehr guten Aufsatz und auch entlarvende Bilder.

Alles in allem ist dies ein beeindruckender Katalog, der neugierig auf die Ausstellung macht. 

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Welt im Umbruch: Kunst der 20er Jahre (Bucerius KUNST Forum)