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Rezension:Das Egozoikum: Aphorismensammlung von Ludwig Drahosch und Nina C. Gabriel (Taschenbuch)

"Freiheit kann nur dort beginnen, wo der Ursprung unserer Motive erkannt wird." (Ludwig Drahosch)

Das Künstlerpaar Ludwig Drahosch und Nina C. Gabriel lernte ich vor einem Jahr auf Facebook kennen. Die beiden leiten derzeit das Ateliertheater in Wien. Mit dem 1969 geborenen Künstler Ludwig Drahosch konnte ich im vergangenen Jahr ein Interview realisieren, dem eine intensive Beschäftigung mit seinen Werken vorausging. Schon im Alter von 9 Jahren hat Drahosch über 200 anatomische Zeichnungen angefertigt. Ihre Qualität erinnert an die alter Meister der Renaissance. Der hochbegabte Künstler, der Philosophie studiert hat, gewann 1997 die Goldene Fügermedaille in Wien. Die Aphorismen, die die Werke im Buch begleiten, sind übrigens nicht selten die Conclusio eines ganzen Buches.

Die um drei Jahre jüngere Nina C. Gabriel ist in Bulgarien aufgewachsenen und flüchtete mit ihrer Mutter 1989 nach Österreich. Dort wurde sie im Franz-Schubert-Konservatorium in der Musicalklasse aufgenommen. 1995 absolvierte sie dann die staatliche Prüfung für Schauspiel und kann seither über 30 Hauptrollen im In- und Ausland zurückblicken. Die attraktive Schauspielerin wurde für den Bronzenen Pinter (Wiener Theaterpreis) nominiert.

Das Egozoikum stellt den ersten Band einer tiefsinnigen und sinnlichen Trilogie des österreichischen Künstlers Ludwig Drahosch dar. Begriffen werden sollte es als ein philosophisches Kaleidoskop sich kontrovers-schmeichelnden Wort-Bild-Liaisonen. Dieses beeindruckende Werk wird ergänzt von bewegenden Gedanken der Autorin, Schauspielerin und Theater-Regisseurin Nina C. Gabriel.

Ludwig Drahosch schreibt in seiner Einleitung eine "Kollektiv-Reflektion im zeitgemäßen Massenwahn". Er möchte nämlich mit dem Buch Intuitives ins Kollektiv ziehen, aber keineswegs in die Reflektion der Leere oder in die Erniedrigung des Seins. Für ihn ist Kunst ihrem Wesen nach etwas, "das sich dadurch auszeichnet, im Idealfall eine objektive Anschauung zu einer subjektiven Empfindung herzustellen."

Bevor ich die Texte las, habe ich zunächst mehrfach die Werke Drahoschs im Buch bewundert, die für alle, die Ästhetik aber auch subtile Erotik lieben, ein Fest für die Augen darstellt. Bildbeschreibungen möchte ich an dieser Stelle nicht vornehmen. Ich finde es interessant, wenn der Künstler durch seine beigefügten Texte, Denkhilfen, die allerdings keine Denkanleitungen sind, gibt.

Ich blicke auf ein Bild, das einen Baum zeigt, der anstatt Laub Engelsgefieder aufweist und ich lese "Das ist mein Psychogramm: Zum einen fest verwurzelt, zum anderen fast unbändiger Freiheitsdrang." (S.22). Solche bildbegleitenden Texte mag ich, denn sie führen auf fast poetische Art in Drahoschs Bilderwelt ein.

Der Künstler hat einen bemerkenswerten Essay über die Kunst der Zeichung verfasst, den man im Buch nachlesen kann. Zu Beginn und zum Ende des Essay stehen die Worte "Jeder Zufall sucht sein Schicksal". Diesen Satz fand ich spontan so gut und zutreffend, dass ich ihn noch heute Nachmittag in die Welt hinaus twitterte. Für Drahosch verhält es sich so, dass der Schlüssel zu einer geistreichen, seelisch gehaltvollen Zeichnung darin liegt, den Zufall zuzulassen, jedoch ihn nicht als Zufall zu akzeptieren, sondern in ihm seine Bestimmung finden, (vgl.S.24).

Während ich auf die wundervollen Körper blicke, die Drahosch geschaffen hat, lese ich keineswegs beiläufig seinen Satz "Nichts ist belastender für die Phantasie als die Logik in der Kunst". Drahosch gestattet seiner Phantasie alles und deshalb auch entsteht das Außergewöhnliche, entsteht all das, was ihn ausmacht und von anderen Künstlern erkennbar unterscheidet.

Ganz wundervoll sind seine erotischen Bilder, die stets mehr sind als das. Es sind Bilder, die körperliche Liebe in ihrer Innigkeit zum Ausdruck bringen, wie sie nur stattfinden kann, wenn die Seelen gemeinsam zu schwingen beginnen. Gleichklang.

Auf Seite 48 studiere ich einen Gemäldeabdruck, auf dem der Künstler zu sehen ist, wie er Gummibärchen festnagelt. Das Bild trägt den Namen "Kindheitsversessenheit". Das Werk macht deutlich, wie absurd diese Tätigkeit ist, ein unnötiger Zeitaufwand für ein aberwitziges Tun... Doch so sind die Menschen, wenn sie rückwärtsgewandt agieren. Dabei ist es gleichgültig, ob man Gummibärchen oder längst nicht mehr gültige Gefühle festzunageln sucht. Wir alle wissen das und handeln nicht selten gegen unser Wissen.

Ich mag die Bilder nicht deuten, sondern möchte sie auf mich wirken lassen und erfühlen, was geschieht, wenn ich dies tue. Man spürt Erfüllung bei den Gemälden, weil man die Lichtwesen in all den Figuren erkennt, die in Liebe verschlungen, eins werden.

Nina C. Gabriel sagt zutreffend "Seele ist gleichsam ein Magnet, sie zieht an." Genau das wird durch viele der Bilder klar und man liest an anderer Stelle, dass der intuitive Mensch, also derjenige, der seiner Seele vertraut, seine Fähigkeiten im ethischen und ästhetischen Sinne unterscheidet und dass die Welt, die er gestaltet, die schönere sei. All überall, wo große Kunst entstanden ist, sei Intuition im Spiel gewesen. Dem kann ich nichts entgegnen. Ich nicke stattdessen.

Das Buch hat so viel zu bieten, poetische Texte, philosophische Betrachtungen und immer wieder Bilder. Mein Blick verharrt sehr lange auf einer sehr schönen Zeichnung, die eine Umarmung zeigt. Der Titel lautet "Zufall sucht Schicksal". Genau darum geht es in irgendeiner Form ja immer.

 Ein gelungenes, sehr schönes Buch mit viel Tiefgang.

Empfehlenswert.

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