Dieser traumhafte Bildband enthält geradezu sagenhafte Fotos des international bekannten Werbe- und Modefotografen Eugenio Recuenco. Es ist wohl wahr, die abgelichteten Motive wirken wie aus einer anderen Welt. Die mittels Handarbeit inszenierten Kulissen und subtilen Verweise auf die Kunst- und Filmgeschichte sind wahrlich beeindruckend.
Wie Dr. M. Harder zu Beginn der imposanten Bilderschau bekundet, sind die Werke dieses begnadeten Foto-Künstlers multifunktional. Dies bedeutet, man glaubt mehrere Ansichten gleichzeitig zu haben. Es entsteht das Phänomen, dass wir unseren Augen nicht wirklich zu trauen glauben können und unser Geist nur sehr schwierig die Realitätsschnippsel und illusionistischen Größenverschiebungen sinnvoll zu einem Gesamtbild zusammensetzen kann.
Dieser Künstler inszeniert die Situationen, die Kleidung und die Menschen wie ein Märchen, schreibt Dr. Harder und zwar auf mehreren Ebenen, sowohl räumlich als auch zeitlich. Man begegnet einer Fülle von paradoxen Stimmungsbildern. Offenbar hat der Künstler die Absicht, Parallelwirklichkeiten entstehen zu lassen. Dies auch gelingt ihm immer wieder spielerisch. Die Bilder funktionieren diesseits und jenseits der Mode- und Produktwelt. Dabei bleiben sie voller Anspielungen und Symbolik.
Ich stimme Dr. Harder zu, dass der Künstler Eleganz, Kreativität und Bildwitz vereint, gepaart mit der Fähigkeit, seine Modelle von diesem tagtraumhaften Spiel zu überzeugen und sie schlussendlich perfekt zu inszenieren. Im Buch zusammengefasst sind exzentrische Visionen, die viele Filme im Kopf in Gang setzen.
Die Bilderwelten sind bestimmten Themen zugeordnet. Wunderschön, aber wie schon gesagt andersweltig. Nicht selten wie in einem Traum und von daher kaum schilderbar. Irgendwann erblickt man eine halbnackte Frau, aus deren Körper blühende rote Rosen wachsen. Man kann dies natürlich aus anders interpretieren und sagen, die Schöne sei von Rosen durchbohrt. Einige Seiten danach nimmt man ein sich duellierendes Paar wahr. Es schneit. Die Szene scheint schon Jahrhunderte zurück zu liegen, wie die Kleidung vermuten lässt. Was stelle ich mir vor? Der Mann unterstellt seiner Ehefrau, einen Liebhaber gehabt zu haben. Die beiden streiten und es endet im Duell. Man braucht die Geschichte nicht zu Ende denken, weil immer andere Bilder etwas Neues berichten. Befremdliche Assoziationsketten. Man erinnert sich bei einem der Bilder zugleich an ein Motiv Magritte und von Chagall, lässt stets aufs Neue bizarre Motive auf sich einwirken, erlaubt sich das Gesehene in Geschichten weiterzuspinnen und fragt sich, wieso plötzlich ein Dritter sich im Badezimmer von Marat zu schaffen macht, während Charlotte Corday ihn gerade unbeobachtet erdolchen möchte. Es ist der Geschichtsschreiber, der durch die Jahrhunderte geistert, seit die Menschen des Schreibens mächtig sind. Der Chronist, der meint, die Realität zu sehen, nicht ahnend wie vielschichtig sie tatsächlich ist.
Für diese prachtvolle, bizarre Bilderwelt von Eugenio Recuenco bin ich dankbar. Sie inspiriert meine Fantasie und zwingt mich Geschichten vor und zurückzudenken und im Moment zu verharren. Was hier gezeigt wird, ist Schönheit in ihrer reinsten Form und vielleicht deshalb auch nur als Traum wahrnehmbar. Schönheit braucht diesen Schleier, um sich besonders attraktiv und geheimnisvoll zu präsentieren.
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