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Rezension:Die Kunst des Salons: Malerei im 19. Jahrhundert (Gebundene Ausgabe)

Dieser Prachtband, der die Malerei im 19. Jahrhundert zum Thema hat, zählt zu den imposantesten Kunstbänden in meiner Bibliothek. Der Autor Norbert Wolf beginnt mit Hinweisen zur Lektüre. Hier unterstreicht er, dass das Buch einen repräsentativen Querschnitt der sogenannten Salonmalerei bietet. Der Begriff Salonkunst wurde von der damaligen Avantgarde bekanntermaßen eher abwertend benutzt, weil sie diese Malerei als dekorativ abtaten, als Kunst, mittels der man repräsentative Empfangs- und Gesellschaftsräume dekorierte. Die Avantgarde des frühen 19. Jahrhunderts postulierte, dass die Kunst in einer hässlichen Welt nicht schön sein dürfe, denn Schönheit sei nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver gegenüber der rauhen Wirklichkeit, (vgl.: S.18).

Wolf untergliedert den Kunstband in sechs große, reich bebilderte und dabei alles andere als textarme Abschnitte, bei denen es sich um folgende handelt:..... Das wiedererwachte Interesse: ein Ausblick Aus der Kulturökonomie des 19. Jahrhunderts Auf dem Boulevard des Erfolgs Länder und Künstler Themen Zur Phänomenologie der Salonmalerei.

Im ersten Abschnitt geht der Autor der Frage nach, weshalb es zu einem mittlerweile wiedererwachten Interesse an der Salonmalerei gekommen ist, selbst dann, wenn Werke als kitschig deklariert werden können. Danach erfährt man im 2. Kapitel, dass man den Vertretern der Salonmalerei einst vorwarf, den guten Geschmack zu verraten, um sich bei der Masse des unkritischen Bildungsbürgertums anzubiedern. Wer angeblich unterhalb der künstlerischen Aufrichtigkeit operierte, wurde ins Souterrain der Kunstgeschichtsschreibung und in die Depots der Museen verbannt. Doch die Einschätzung änderte sich und viele Gemälde als auch Skulpturen verließen die Depots. Als Meilenstein wird das "Musée d O`rsay" in Paris genannt, (vgl.: S. 24).

Wie man erfährt, soll sich dort, wo das soziale Prestige des Bürgertums von einem Bildungsideal getragen war, das sich auf die individuelle Persönlichkeitsentfaltung, auf subjektive Erlebnistiefe und auf die Einreihung in konvertierbare, vor allem aber auf klassisch-humanistische Traditionen der Philosophie und Kunst berief, jenes Bildungsbürgertum formiert haben, das die mangelnde adelige Herkunft durch geistigen Adel zu ersetzen suchte. Der bildungsbürgerliche Anspruch kam in der konformistischen Malerei des 19. Jahrhunderts zum Ausdruck, (vgl.: S.30).

Im ethischen Anspruch an die Künste suchte sich das Bildungsbürgertum herablassend von den unkultivierten Massen zu unterscheiden und zwar weil die Grenzlinien zwischen Exklusiv- und Populärkultur immer mehr verschwammen. Die Destinktionsstrategien benannten alles, was dem "einfachen" Publikum gefiel, als minderwertig. Die Kunst des "bürgerlichen Zeitalters" nahm für sich in Anspruch, "Spiegelbild gehobener Qualitäten" zu sein, und war dennoch letztlich oftmals nur "Basar des Durchschnittsgeschmacks", (vgl.: S.30).

Man liest von den Malerfürsten der damaligen Zeit, die ihren Status nach außen mit luxuriösen Wohnhäusern zum Ausdruck brachten. Zu ihnen zählte Franz von Lenbach, der sich aus kleinen Verhältnissen stammend zu Reichtum empormalte und andere damals in München tätige Malergrößen, auch der bekannteste deutsche Orientmaler Wilhelm Gentz und Frederic Lord Leighton, einer der erfolgreichsten Maler und Bildhauer der viktorianischen Ära. Das spektakulärste Künstleratelier soll sich übrigens in Wien befinden. Es gehörte Hans Makart.

Man erfährt mehr über die privilegierte Stellung Frankreichs im staatlich gelenkten Kunstbetrieb und über Ausstellungswesen des 19. Jahrhunderts. Im Paris der Revolutionäre, aber auch im Paris Napoleons sollte ein globales Museum entstehen und so wurde damals das Louvre-Museum in das Musée Napoléon umbenannt, nach seinem wohl größten Beschaffungsagenten. Im 19. Jahrhundert soll es seitens des Bildungsbürgertums eine auffallende Gier nach künstlerischen Bildern gegeben haben. Zur Propagierung der damaligen Kunst wurden große Ausstellungen in den Hauptstädten zum gesellschaftlichen Kunstereignis erhoben, (vgl.: S.51). Die Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts schließlich dokumentieren wie mehr oder weniger rigide Nationalismen sich unter der Oberfläche bürgerlicher Gemeinsamkeit ausdehnten, (vgl.: S.60) Der Autor thematisiert richtungsweisende Salonmalerei und stellt anhand von Gemälden Glanzlichter dieser Kunstform vor, darunter auch "Das Frühstück im Grünen" von Édouard Manet.

Man liest von den Werken der Präraffaeliten im späten Verlauf des 18. Jahrhunderts und ihrer anfänglich antiakademischen Haltung und hat Gelegenheit sich in ein Salonkunstgemälde von John William Waterhouse zu vertiefen, das den Titel "La Belle Dame sans Merci" trägt und meines Erachtens überzogene romantische Gefühle hervorrufen soll.

Der Autor bringt in seinen Streifzügen durch die Hauptzentren die Salonkunst in Frankreich, Großbritannien, Deutschland und in der Donaumonarchie und in den Vereinigten Staaten zur Sprache und erörtert diese breitgefächert. Dabei ist natürlich der Bilderreigen eine Freude für das Auge, die sich hier an intellektuell geradezu Tabuisiertem ergötzen kann. Ich denke hier speziell an die Waterhouse-Gemälde, durchaus auch an Anselm Feuerbachs "Ruhender Nymphe" und Franz von Lenbachs "Hirtenknabe". Einfach nur schön, aber halt auch ein bisschen zu schön.....

Unterrichtet wird man über die Themen in der Salonmalerei. Erwähnt wird Zola, der zwischen den Riesenformaten der Historienmalerei einschließlich denen mit religiösen Sujets und den kleinformatigen Werken mit Genreszenen unterschied. Ausführlich wird man mit der Historienmalerei in der Folge vertraut gemacht und hat Gelegenheit eine Reihe imposanter Historienbilder kennenzulernen, darunter auch Jules-Élie Delaunays "Die Pest in Rom" und Anselm Feuerbachs "Iphigenie", aber auch Hans Markarts "Der Tod der Kleopatra".

Im Rahmen der Rezension ist es leider unmöglich, auf alle Facetten des Buchs einzugehen, erwähnen möchte ich allerdings im Rahmen der Themen "Das Ich und die Anderen". Hier werden Bildnisse beleuchtet und das Genre "Alltägliches zwischen Schein und Wirklichkeit", u.a. auch die Sozialthematik wie sie bei Jean-Francois Millets "Ährenleserinnen" zur Geltung kommt.

Ein Fest für die Augen sind die Gemälde, die unter das Thema "West-östlicher Divan" einzureihen sind und hier keineswegs nur die Bilder, die Harem und Hamam fantasievoll darstellen, doch diese letztlich besonders. Ich denke da an Gemälde wie etwa Édourd Debat-Ponsans "Die Massage. Szene aus dem Haman". Gleichwohl beeindrucken mich auch die Gemälde von Lawrence Alma –Tadema und hier speziell "Joseph, Aufseher der Kornkammer des Pharao".

Man erfährt Näheres zur Aktmalerei in der Salonkunst. Trotz verbaler Attacken konnte nicht verhindert werden, dass in der viktorianischen Gesellschaft dieses Sujet besonders beliebt war. Ganz zauberhaft finde ich Frederic Leightons "Das Bad der Psyche", aber auch Henri Gervex "Rolla".

Erwähnt wird auch, dass trotz der Tatsache, dass Salonmalerei zumeist Kommerzíalisierung des Bildangebotes mittels publikumswirksamer Aufmachung bedeutete, durchaus auch jenseits des Mainstreams liegende Strömungen in bestimmten Kreisen gesellschaftsfähig wurden, so etwa Klimts "Danae", (vgl.: S.258). Bei der Frage, weshalb Salonmalerei nicht selten am Kitsch entlang schrappt, erwähnt der Autor, dass ein Merkmal dieser Malerei der Verzicht auf Ironie oder gar visuellen Skeptizismus sei. Wo ein ironisches Korrektiv fehlt, ist die Gefahr nicht gering ins Triviale abzugleiten. Doch wer weiß schon, was Kunst im absoluten Sinne ist?

Hüten wir uns vor arroganter Urteilsbildung, wie sie einst von den Wortführern der "authentischen" Avantgarde formuliert wurden. "Die Rosen von Heliogabal" von Lawrence Alma-Tadema unterziehe ich ignorant keiner Kitschanalyse, sondern freue mich einfach, wann immer ich das das dionysisches Traumbild sehe, auf welchem dem Genuss gehuldigt wird. Schön, dass es auch solchen Gemälde gibt.

 Empfehlenswert.


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