Fritz Overbeck (15.9.1869- 7.6.1909) hatte im vergangenen Jahr seinen 100. Todestag. Anlässlich dieses Ereignisses ehrte das Overbeck-Museum in Bremen den Künstler mit einer Ausstellung, die bis zum 20. September 2009 dort zu sehen war. Dieses Buch ist der Katalog zur Ausstellung "Ich bin nicht sentimental". Die sehr guten Ablichtungen der Gemälde werden von Texten von Friederike Daugelat, Harald Fiebig, Christine Heidemann, Gertrud Overbeck und Rainer Stamm begleitet. Der in Bremen geborene Maler und Radierer gehörte 1894-1906 der Künstlerkolonie von Worpswede an. In seiner Kunst verarbeitete er Impressionismus, neuromantische Heimatkunst und eine sich Giovanni Segantini nähernde Auffassung. Seine stimmungsreichen Landschaften nahmen Themen aus Moor und Heide auf.
Worpswede ist der Sitz und Name einer deutschen Künstlerkolonie, die wie die Bruderschaft der Nazarener, aus Opposition junger Künstler gegen den Traditionalismus an den Akademien entstand. Fritz Mackensen war 23, sein Düsseldorfer Studienkollege Otto Modersohn 24 Jahre alt, als sie sich 1889 in dem Heidedorf Worpswede bei Bremen niederließen, um im Erleben der unberührten Natur eine von der akademischen Strenge unabhängige Form der Landschaftsdarstellung zu erarbeiten. 1894 folgten ihnen Fritz Overbeck und Heinrich Vogeler. 1895 schlossen sie sich zur "Künstlervereinigung Worpswede" zusammen, zu welcher ab 1899 auch Hans Am Ende gehörte. Vorbild für ihre Ideale war das von William Morris und Walter Crane entwickelte Stilwollen der Präraffaeliten. In einer realistischen, aber flächig und linear vereinfachten Darstellung suchten sie die formauflösenden Tendenzen des Impressionismus zu überwinden und gewannen damit entscheidende Bedeutung für den Jugendstil durch Heinrich Vogeler. 1902 lebte übrigens auch der Dichter Rainer Maria Rilke als Mitglied der Vereinigung in Worpswede.
"Ich bin nicht sentimental" ist die Antwort von Fritz Overbeck auf die Frage, ob er die Zeit in Worpswede nicht vermisse, nachdem er 1905 mit seiner Familie nach Bröcken bei Vegesack umgezogen war. Dass er tatsächlich nicht zu Sentimentalität neigte, lässt sich aus einem Brief ablesen, in dem er ungeschönt die Vorzüge des Lebens in Worpswede benennt, das ihm einen fortwährenden Austausch mit seinen Kollegen geboten hat, zeitgleich sieht er aber auch die Möglichkeiten, die ihm in sein neuer Wohnort bietet. Interessant ist Rilkes Einschätzung Overbecks:" Alles gab ihm das Gefühl von Wirklichkeit, die um ihn war, und eben das brauchte er: Wirklichkeit (...)Auf seinen Bildern(...) setzt sich alles zu Wirklichkeit um, füllt sich, verdichtet sich. Sogar sein Himmel sind Tatsachen, an denen man nicht vorüber kann."
Friederike Dougelaut lässt in ihren Betrachtungen nicht unerwähnt, dass Rilke allerdings ein anderes Kunstideal anstrebte als jenes, welches Overbeck in seinen unsentimentalen Bildern offensichtlich verfolgte.
Nach Rilkes Vorstellung hat Overbeck an der Realität gehangen, ohne sie in das höhere Sein eines Kunstwerkes überführen zu wollen. Rilke hatte Probleme in Overbeck einen wahren Künstler zu sehen, weil Overbeck darauf verzichtete, sein Ich in seinen Kunstwerken auszudrücken. Durch Rilke begreift man, was Overbeck wirklich wichtig war: das Wirklichkeitsnahe festzuhalten, ohne eine Transformation des Dargestellten in ein höheres Sein anzustreben. Im Kreise der Worpsweder Maler galt Overbeck als der Naturforscher.
Um 1902/03 gewinnt der Maler die Erkenntnis, dass die Landschaft um Worpswede nicht mehr als alleinige Bestimmung und Inspiration genügt. Es folgen Studienaufenthalte auf Sylt, über die man ausführlich unterrichtet wird, bevor man sich in das Werk visuell vertiefen kann.
Die Gemälde, die die Moorlandschaft um Worpswede darstellen, empfinde ich besonders faszinierend. Overbecks Eindrücke vom Meer auf Sylt zeigen die spezielle Betrachtungsweise der Natur durch diesen Künstler übrigens ähnlich deutlich, wie die Worpsweder Gemälde.
Ein gelungener Katalog.
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