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Rezension: Surreale Dinge

Dies ist der Katalog zur Ausstellung "Surreale Dinge", die in der "Schirn -Kunsthalle Frankfurt" vom 11.2.-29.5.2011 gezeigt wird. Herausgegeben wurde der Katalog von Ingrid Pfeiffer und Max Hollein, der auch das Vorwort verfasst hat.

Neben den in der Schirn gezeigten 180 berühmten Skulpturen und Objekten von 51 Künstlern, darunter etwa 110 Objekte und 70 Fotografien von "teilweise sehr berühmten, aber nicht mehr überlieferten Objekten" von Dali bis Man Ray enthält das Buch sehr erhellende Beiträge zu der fokussierten Thematik. Die Essays tragen den Titel:

-"Surreale Dinge gestern und heute" von Ingrid Pfeiffer
-"Prenez garde aux objets domestiques oder der weibliche Heimvorteil im Surrealismus" von Angela Lampe
-"Krise des Objekts/ Objekte in der Krise -Exposition surréaliste d`objets in der Galerie Charles Ratton 1936" von Laurence Madeline
-"Temporäre Objekte: Die Mannequins in der Exposition internationale du surréalisme 1938" von Ingrid Pfeiffer
-"Das surrealistische Objekt und das Subjekt im Materialismus: Anmerkungen zum Verständnis des Gegenstandes im Surrealismus" von Ulrich Lehmann

Surreale Dinge. Skulpturen und Objekte
von Dalí bis Man Ray
Dem Vorwort ist zu entnehmen, dass die Epoche des Surrealismus üblicherweise zwischen 1925 und 1945 angesiedelt wird und dass sie zu den bekanntesten und zugleich auch populärsten Kunstströmungen des Klassischen Moderne zählt. Weniger bekannt sei, dass um 1930 in der surrealistischen Gruppe ein neuer Trend einsetzte, der denn bewusst forciert wurde. Dieser bestand in der Kreation dreidimensionaler Werke. Besagte Objekte bestechen laut Max Hollein durch ihre Vielfalt in Materialität, Form, Herkunft und Konstruiertes, Natur und Metamorphose, Alltag und Antike, (vgl.: S.:9).

Ziel der Ausstellung und entsprechend auch des vorliegenden Kataloges ist es, ein zentrales Kapitel der Moderne vorzustellen, lässt uns Max Hollein wissen. Ein kleiner Teil der gezeigten Objekte stammt übrigens von Künstlern der vorangegangenen Dada-Bewegung. Sie haben die Arbeitsweise der Surrealisten vorweggenommen.

Pfeiffer schreibt, dass es die Surrealisten waren, die ab der 1930er Jahre in ihren Objekten die Grundprinzipien der surrealistischen Kunst anwandten, d.h. die Entfremdung, sprich die Heraushebung eines Dinges oder einer Sache aus dem Kontext, die "Kombinatorik", d.h. das Zusammenführen von unterschiedlichen Welten zugunsten eines produktiven Schocks und auch die "Metamorphose" als Möglichkeit der Verwandlung in etwas Drittes, (vgl.: S. 15). Pfeiffer berichtet von einer spektakulären surrealistischen Ausstellung in Paris im Jahre 1938 und weiteren Ausstellungen dieser Art, etwa jener bei der surrealistische Möbel 1939 in Paris gezeigt wurden.

Marcel Duchamp / Enrico Donati  
Prière de Toucher (Bitte berühren)
Im Buch wird nicht nur die Metamorphose des Alltäglichen zu Sprache gebracht, sondern auch die Auseinandersetzung der Surrealisten mit Erotik und Sexualität. Diesbezüglich lohnt es den Beitrag "Freud und de Sade- Körperhaftes in den Objekten" (Seite 28-32) zu lesen.

Gezeigt werden in diesem Zusammenhang Exponate wie die "Venus de Milo aux tiroirs" von Dali (Seite 36). Dali erklärt eines seiner im Buch gezeigten Objekte, -es handelt sich um einen roten Damenschuh (S. 39)- wie folgt: "In einem Damenschuh, mitten in einer weichgeformten, exkrementfarbenen Masse, steht ein Glas lauer Milch. Der Mechanismus besteht darin, ein Stück Zucker, auf welches man einen Schuh gemalt hat, in die Milch zu tauchen, um die Auflösung des Zuckers und damit auch des Schuhbildes zu beobachten. Verschiedene Zutaten (Schamhaare, die an einem Stück Zucker kleben, kleines erotisches Foto) vervollständigen das Objekt, das von einer Dose mit Ersatzzucker sekundiert ist und einen Speziallöffel, der dazu dient, Schrotkörner im inneren des Schuhs aufzurühren."(Zitat S.38). Ein interessantes Objekt, dass auf m.E. witzige Weise sich mit dem Thema Sexualität auseinandersetzt.

. Meret Oppenheim Pelzhandschuhe
Irritiert haben mich die "Pelzhandschuhe" von Meret Oppenheim. Ich interpretiere das Objekte als Metamorphose des Animalischen im Weib. Die Objekte, die Sexualität und Erotik zum Gegenstand haben, sind teilweise überaus ironisch angelegt und deuten auf Künstler hin, die sehr humorvoll und gelassen mit dem zu jenen Zeiten noch tabuisierten Thema umzugehen vermochten.

Es führt zu weit alle in den Essays angesprochenen Facetten der Ausstellung hier näher zu beleuchten. Den Käufern des Buches rate ich allerdings die Essays aufmerksam zu lesen, weil sich dann die gezeigten Objekte besser erschließen. Wichtig erscheint mir besonders, sich mit dem Text von Ulrich Lehmann zu befassen, in dem man mehr über die materiellen Wurzeln des Surrealismus erfährt. Ebenfalls wichtig ist das letzte Kapitel, in dem die einzelnen Künstler näher vorgestellt werden, selbstverständlich auch André Breton, der der Anführer der Bewegung war.

Sehr angetan bin ich, das in der Ausstellung auch einige Objekte von Alexander Calder und von Alberto Giacometti gezeigt werden, die ich sehr schätze und ein bisschen traurig bin ich, dass von einem meiner Lieblingskünstler René Magritte leider nur ein Werk dabei ist.

Ein gelungener Katalog, den ich nicht nur Ausstellungsbesucher empfehle.


Bilder: Mit freundlicher Genehmigung Hatje Cantz Verlag

1. Surreale Dinge. Skulpturen und Objekte von Dalí bis Man Ray Ausstellungsansicht Ausstellungansicht Schirn Kunsthalle Frankfurt Fotograf: Norbert Miguletz
2. Meret Oppenheim Pelzhandschuhe, 1936 Pelz, Holz, roter Nagellack 5 x 21 x 10 cm Sammlung Ursula Hauser, Schweiz © VG Bild-Kunst, Bonn 2010 Fotografie: Hauser & Wirth Collection
3. Marcel Duchamp / Enrico Donati Prière de Toucher (Bitte berühren), 1947 Schaumstoff, Samt, Karton 30,5 x 34,5 x 6 cm Sammlung L. Malle, Paris © Succession Marcel Duchamp / VG Bild-Kunst, Bonn 2010 / Estate of Enrico Donati Fotografie: © Serge Veignant

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