Wie man bereits im Vorwort erfährt, handelt es sich bei dem "Augsburger Geschlechterbuch" von 1545/47 um einen Band mit 44 Zeichnungen und 43 Radierungen für ein Buchprojekt, das die Wappen der Augsburger Patrizierfamilien mit phantasievoll gestalteten Wappenhalter-Figuren präsentiert. Dieses Buch wurde im April 1945 gestohlen und nach einem langwierigen Rechtsstreit dem Land Baden Württemberg zugesprochen. In dem vorliegenden Werk wird besagter Band 2010 erstmals vollständig veröffentlicht.
Das Buch enthält neben dem beeindruckenden Bildteil eine Einführung von Helmut Zäh, die sich mit dem Geschlechterbuch von Hans Burgmair d. J. und Heinrich Vogtherr d. J. im Kontext der Augsburger Familien- und Ehrenbücher befasst, des Weiteren einen Aufsatz von Edith Seidl, der sich mit den Künstlern des Augsburger Geschlechterbuches Hans Burgmaier d. J. und Heinrich Vogtherr d. J. auseinandersetzt und schließlich einen Essay von Steffen Egle mit dem Titel: „Wappenkunst und Schildhalterfiguren: Zur Geschichte einer Noblen Kunstaufgabe.“
Egle erläutert in seinem Essay wie die Künstler die vormals streng definierte Gestaltungsaufgabe des Wappenbildes mit der Zeit als Experimentierfeld ihrer Erfindungsgabe entdeckten. Als Kunstaufgabe wird das Wappen interessant bei der Erweiterung zu sogenannten Prunk- und Prachtstücken. Die Schilderhalterfiguren unterlagen keinen festen Konventionen. Sowohl der Schildmantel als auch die Helmzier schenkte dem Künstler gestalterische Freiheiten, so dass sich eine stilistische Entwicklung der Wappenform am ehesten hier ablesen lässt, (vgl.: S.33). Der Reiz der Kunstaufgabe „Wappenbild“ für die Künstler und ihre potentiellen Auftraggeber bestand nicht zuletzt darin, innerhalb eines eng gesteckten Rahmens einen künstlerischen Variationsreichtum an den Tag zu legen. Hierin lag der besondere Herausforderung der Wappenkunst, aber auch die komplexe Struktur des Wappenbildes stellte einen Anreiz stellte für jene Künstler dar, die nicht nur kunsthandwerklich agierten, (vgl.: S.34).
In der Folge wird man über die historischen Ursprünge der Schilderhalterfiguren, über die Wappen und Wappenhalterfiguren in der frühen Druckgraphik von Meister E.S. bis Dürer, über Wappenbilder als Gebrauchskunst im 16. Jahrhundert, über Wappenbilder und Schilderhalter in den Genealogien und Geschlechterbüchern des 16. Jahrhunderts und den Wappenhalterfiguren nach 1600 umfangreich informiert. Dann folgt der Bildteil, den zu studieren eine wahre Freude bedeutet. Gezeigt werden „Das Augsburger Geschlechterbuch“ - Der Stuttgarter Band (S) und „Das Augsburger Geschlechterbuch- Der Augsburger Band (A).
Auf Seite 63 entdeckte ich im Geschlechterbuch das Wappenbild der Fugger. Der Schilderhalter stützt sich mit der linken Hand auf das mit Lilien dekorierte Wappen, und hält den Zeigefinger der rechten Hand mahnend nach oben, so als wolle er nachfolgenden Generationen aus dem Hause Fugger eine Botschaft mit auf den Weg geben. Der m.E. schönste Schilderhalter ist auf dem Wappenbild des Hauses Haller (S. 69) zu sehen. Er wirkt durch seinen Turban fast ein wenig orientalisch. Auf seiner rechten Hand sitzt ein Falke, der ihm zugewandt ist. Eine elegante Erscheinung, dominant und weltläufig zugleich, vermutlich ein Kaufmann. Es ist unmöglich die vielen Wappenbilder im Rahmen einer Rezension zu beschreiben. Manchen Schilderhalter wirken fast martialisch in ihren Ritterrüstungen mit gezücktem Schwert. Da ist mir der Schilderhalter des Hauses „Eggerberger“ (S. 174) weitaus sympathischer, ein Patrizier , der anstelle des Wappens einen Blumenstrauß in der Hand hält und dabei lächelt.
Im Anschluss an den Bildteil hat man Gelegenheit sich u.a. mit der Geschichte des Stuttgarter Bandes 1944-2010, des Weiteren mit der Beschreibung der Frühdruck- Exemplare des Augsburger Geschlechterbuches und dem Gesamtverzeichnis der Radierungen des Augsburger Geschlechterbuches zu befassen.
Dieses Buch macht sehr neugierig auf die Ausstellung, aber es ist auch ein Kleinod in einer Bibliothek, dem ein besonderer Platz gebührt.
Empfehlenswert.
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