Für Dr. Binkert bedeutet Muße zu finden, Abstand zu nehmen vom dringenden und vorwärtsdrängenden Tagesgeschäft. Muße finden heißt für sie, das Ziel aus dem Auge zu verlieren. Sie weiß, dass man sich dabei ein wenig austricksen muss, um solche Momente möglich zu machen. Dies funktioniert, in dem man beispielsweise die Vogelperspektive einnimmt und auf diese Weise sehr konkret Abstand zum Alltag gewinnt, (vgl.: S. 8).
Tanja Schlie reflektiert in der Einleitung Rückzugsorte, um Momente der Muße ungestört genießen zu können, denn sie weiß, dass solche Momente Raum benötigen. In ihren weiteren Überlegungen erwähnt sie auch, dass die Muße einen schlechten Leumund hat, nicht zuletzt, weil sie den gleichen Wortstamm wie Müßiggang besitzt.
Im vorliegenden Buch werden Gemälde und zwei Grafiken vorgestellt, die bis auf wenige Ausnahmen aus dem 19. Jahrhundert stammen; Die Bilder werden textlich näher erläutert. Man erfährt zudem, wer das jeweilige Bild gemalt und wann der jeweilige Maler gelebt hat, wie das fokussierte Werk heißt und wann es entstanden sowie wo das Original zu besichtigen ist.
Zu Beginn eines jeden Kapitels hat man Gelegenheit sich in Senztenzen zu vertiefen, die den Begriff Muse zum Thema haben. Als Orte des Rückzugs und Möglichkeiten der Muße kommen in den einzelnen Kapiteln zu Sprache: Die Natur, diverse Innenräume, das Bad, die Nacktheit als persönliche Freiheit, das geheime Boudoir, das Alleinsein, die Lust, sich ins Bett zurückzuziehen, geistige Rückzugsorte und das Reich der Träume.
Eines der ersten, näher besprochenen Gemälde stammt von Walter Launt Palmer und heißt "Nachmittags in der Hängematte, 1882." Das Bild zeigt eine lesende Frau, die in einer Hängematte ruht. Ein bezauberndes Bild, das meinen Vorstellungen von Muße am meisten nahekommt.
In der Folge lernt man Gemälde von Jean -Honoré Fragonard, Berthe Morisot, Charles Courtney Curran u.a. kennen, dann fällt mein Augenmerk auf eine Sentenz von Ingke Brodersen, der ich absolut zustimme: "Ein großer Schreibtisch bedeutet mir viel, er ist ein Stück Heimat, ein Ort, an dem nur ich zu Hause bin."
Sehr beeindruckend ist auch das Bild "Am Ende der Veranda" von John Sharman. Hier geht eine Frau einer kleinen Näharbeit nach. Solch eine stille Beschäftigung, ist die Möglichkeit Ruhe durch tätige Muse zu finden.
Badeszenen und Szenen vor dem Spiegel, beispielsweise von Degas und Frank Markham Skipworth, August Renoir und John William Godward folgen solche von Gemälden, die Frauen in ihren geheimen Boudoirs zeigen. Hier mag ich Herbert James Drapers "Potpourri" am liebsten, das die Autorin sehr treffend beschrieben hat.
Charles Edward Peruginis "Momente der Muße", wird all jenen gefallen, die lesende Frauen mögen. Das Interessante an diesem Bild ist, dass ihr Gesicht für den Betrachter offen wie ein Buch vor ihm liegt, doch die Leserin sieht den Betrachter nicht, da sie ich mit dem Inhalt des Buches beschäftigt. Möglicherweise liest sie ein schönes Gedicht von Rilke oder Heine.
Das Titelbild des Buches zeigt ein Gemälde aus dem Kapitel "Das Reich der Träume- Versunken in innere Welten". Das Bild stammt von Albert Joseph Moore und heißt "Silber". Dieses Bild zeigt eine klassische Schönheit mit einem makellosen Gesicht und einem ebensolchen Körper. Es ist der Traum eines Malers, der auf diesem Bild verewigt wird und ganz gewiss nicht der Traum dieser sensitiven, jungen Frau. Sie wirkt beschämt. So kann sie nicht träumen. Träumen kann man nur, wenn man sich unbeobachtet fühlt.
Empfehlenswert.
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