Das Staatliche Bauhaus wurde 1919 von Walter Gropius ins Leben gerufen. Sein Ziel war es, Kunst und Handwerk sinnvoll zu verbinden. Ulrike Schüler stellt in ihrem Buch unter Mitarbeit von Ingrid Radewaldt und Sandra Kemker die damaligen Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design vor. Anhand zahlreicher Fotos hat man Gelegenheit, auch einen visuellen Eindruck von den Damen und ihrem kunsthandwerklichen Schaffen zu erhalten.
Im Staatlichen Bauhaus gab es 1919 im ersten Semester mehr weibliche als männliche Studenten und im Rückblick kann konstatiert werden, dass das Bauhaus einen wesentlichen Teil seines innovatorischen Potenzials Frauen zu verdanken hat. Im Buch lernt man Pädagoginnen, Gestalterinnen und Künstlerinnen kennen, die am Bauhaus studierten, lehrten oder als Ehefrau der Baumeister ein eigenständiges Profil entwickelten, aber auch die Ideen und Werke des Bauhaus der Welt zugänglich machten.
Wie man bereits der Einleitung entnehmen kann, hatte sich die künstlerische Avantgarde aus der Opposition gegen das frostige, zugeknöpfte, autoritäre Klima im deutschen Kaiserreich zu Beginn des 20. Jahrhundert entwickelt. Angestrebt wurde die Reform des gesamten Lebens, konkret Echtheit, Einfachheit, Natürlichkeit und Ganzheit. Gerüttelt wurde an der Prüderie, den Konventionen, der bürokratischen Ordnung und den Klassenschranken des Kaiserreichs und die Frauen, die ein Teil dieser jungen Wilden waren, entdeckten die Sinnlichkeit ihres Körpers sowie die Lust an Selbstinszenierung, aber auch an Selbstdarstellung, (vgl.: S.7).
Man liest, dass noch im 19. Jahrhundert die Frauen in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen keinen Zugang zu Kunstakademien hatten und die Großherzogliche-Sächsische Kunsthochschule in Weimar zu den wenigen Akademien zählte, an denen bereits vor der Gründung der Weimarer Republik weibliche Studierende aufgenommen wurden. Die Mehrzahl der Bauhausfrauen, auch Ausnahmekünstlerinnen wie Gunta Stölzl, stellten allerdings das traditionelle Frauenbild nicht in Frage, gleichwohl widersprachen sie ihm durch ihr konkretes Handeln, (vgl: S.10).
Das Buch befasst sich zunächst mit den Lehrerinnen und studierenden der ersten Stunde und hier speziell mit Gertrud Grunow, Helene Börner, die einzige Bauhausmeisterin, wie auch Ida Kerkovius und lernt Arbeiten der Damen kennen. Thematisiert werden in der Folge die Künstlerinnen der Weberei und hier allen voran Gunta Stölzl, die Keramikerinnen, Mehrfachbegabte in Malerei, Grafik, Bildhauerei und Bühnenarbeit, Innenarchitektinnen, Möbel-, Spielzeug- und Metallgestalterinnen sowie Meisterinnen der Fotographie und der Tagebuchnotiz.
Mich beeindruckt besonders das Leben und Schaffen von Gunta Stölzl (1897-1983), die eine der erfolgreichsten Bauhausfrauen war. In ihrer Bewerbungsmappe, die sie 1919, Walter Gropius, dem Leiter des Bauhaus vorlegte, befanden sich auch Zeichnungen, in erster Linie aus der Zeit als Rotkreuzschwester im 1. Weltkrieg. Diese Zeichnungen dokumentierten u.a. Trauer und Betroffenheit über die Zerstörungen und Grausamkeiten des Krieges, (vgl.: S.43)
Mit Marcel Breuer, einem der ideenreichsten Studenten aus der Tischlerei, erarbeitete sie Bespannungen für Sitzmöbel, zunächst in freier abstrakter Weberei, später mit strengen Gurten in wenigen Farben. Diese Arbeiten sollen der Anfang einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Weberei und Tischlerei gewesen sein, in deren Folge Bespannstoffe für moderne Latten-und Stahlrohrstühle entwickelt wurden, (vgl.: S.46). Über die Weiterentwicklung dieser Bauhausfrau erfährt man im Buch viel Wissenwertes, aber nicht nur über sie, sondern- wie schon angedeutet- über viele andere Damen, deren künstlerische Ausdruckskraft wirklich beeindruckt.
Die Porträts sind gut getroffen und spannend zu lesen. Mein Augenmerk gilt immer wieder den Exponaten von Marianne Brandt, deren Tee-Extraktkännchen, aber auch ihr Sahnegießer das gewisse, leicht exzentrische Etwas haben, das ich sehr reizvoll finde, (siehe Seite 122).
Dieses Buch empfehle ich gerne der vielen Sachinformationen wegen, aber auch aufgrund der aufschlussreichen Fotos.
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