Dieses nicht nur für Rilke-Freunde spannend zu lesende Buch enthält eine Vielzahl bemerkenswerter Bildbetrachtungen des Dichters und es werden auch stets die besprochenen Werke visualisiert. Dabei handelt es sich keineswegs nur um Gemälde, sondern auch um Wandteppiche.
Wie man dem Nachwort von Rainer Stamm entnehmen kann, hat sich Rainer Maria Rilke (1875-1926) beinahe von Beginn seiner schriftstellerischen Tätigkeit an für Kunstwerke interessiert und sich auch dazu artikuliert. Er besuchte als Student sogar Vorlesungen in Kunstgeschichte, berichtete später in verschiedenen Medien über Ausstellungen und schrieb Kunstkritiken, die ihm als jungen Dichter als Broterwerb dienten. Zudem aber hat er sich in einer Reihe von privaten Aufzeichnungen über Kunst geäußert.
Die für die vorliegende Publikation ausgewählten Bildbeschreibungen entstanden zwischen 1900 und 1915. Dabei ging es Rilke zu diesem Zeitpunkt um die Hinwendung zum Sehen an sich. Das bewusste Betrachten war für ihn damals die Grundbedingung für eine neu erreichte Präzision seiner Sprache geworden.
Bei seinen Bildbeschreibungen will er nicht nur kunsthistorischen Wissens kommunizieren, sondern zudem die Seherlebnisse in das sachliche Sagen von Sprache übersetzen.
Rilke befasste sich mit den Künstlern der Künstlerkolonie Worpswede als er sich dort im Spätsommer 1909 aufhielt. Hier notierte er "Mir ist, ich lerne jetzt erst Bilder schauen". Mit Hilfe der jungen Malerin Paula Becker und deren Freundin Carla Westhoff, die er kurz darauf heiratete, traute er sich zunehmend das Gesehene in sachliche Sprache umzusetzen.
Rilke reiste nach Paris, um seine Schule des Sehens zu optimieren. Mit dieser Reise und dem Auftrag, für die von dem Breslauer Kunsthistoriker Richard Muth herausgegebenen Reihe "Die Kunst" eine Monographie über Rodin zu schreiben, fand Rilke die Chance der Anwendung seiner neu erworbenen Fähigkeit der Anschauung, die mit Rodins handwerklichem Werksbegriff korrespondierte. Paris wurde zu seiner entscheidenden Sehschule. Hier sah er die für ihn wichtigsten Kunstwerke, hier reiften seine Augen, das zu sehen, was er dann in Sprache subtil wiedergab.
Anstatt kunsthistorisches Wissen zu sammeln, vertiefte sich Rilke in die Anschauung von "Kunst-Dingen". d. h. er sah und staunte. Er wollte Kunst nicht mehr interpretieren und auch kein Sprachkunstwerk der Kunst entgegensetzen, sondern vielmehr wollte er sie nicht wertend betrachten und sie sich anschließend beschreibend aneignen.
Die Abbildungen im Buch werden teilweise erstmals seinen Texten gegenübergestellt und sollen Rilkes Seharbeit nachvollziehbar machen. Dieses Ansinnen ist gelungen.
An Lou Andreas –Salomé schreibt er, Leonardo da Vincis "Das Abendmahl" betrachtend: "Mailand: das Abendmahl, über alle Maßen herrlich, Malerei, nur antiken Wandbildern nah, allem anderen unvergleichlich; fast vergangen, fast nur erzählt von eines Unsichtbaren tiefbewegter Stimme, und doch unsagbar da, Gegenwart und im Innersten nicht zerstörbar.“ (S.30).
Nicht alle Bildbeschreibungen fallen so kurz aus, allen gemeinsam ist jedoch die Poesie die Text und Bild jeweils verbindet. Rilkes Art Bilder zu betrachten, überzeugt mich.
Ein schönes Buch, das ich gerne weiterempfehle.
Helga König
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