"Kein Mensch will das sehen. Ja, was soll denn das eigentlich alles... die ollen Huren und die ollen abgetakelten Weiber und die Kümmernisse des Lebens... Kein Mensch hat Freude daran. Keine Galerie will das aufhängen. Wozu malst du das überhaupt?!" (Otto Dix).
"Der Maler ist das Auge der Welt" (Otto Dix).
Dies ist der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung "Das Auge der Welt. Otto DIX und die Neue Sachlichkeit", die vom 10.November 2012 bis zum 7. April 2013 im Kunstmuseum Stuttgart gezeigt wird.
Daniel Spanke lässt den Leser gleich zu Beginn seines Essays mit dem Titel "Das Auge der Welt. Otto Dix und die Neue Sachlichkeit" wissen, dass der Begriff "Neue Sachlichkeit" nicht von Otto Dix kreiert worden ist, sondern von Kunsthistorikern. Dieser Begriff zeichnet sich dadurch aus, dass er Phänomene der Gegenwartskunst zusammenfassend kennzeichnet und sie als neueste Strömung, die eine ältere überwindet, bereits zeitlich einsortiert, (vgl.: S.10).
In der Ausstellung, "lässt sich exemplarisch der Weg eines Künstlers in die Neue Sachlichkeit und die große Bandbreite dieser spezifischen Ausdrucksform als Haltung zur Wirklichkeit im Bild nachvollziehen und fassen", (Zitat. S. 10).
Kein Künstler der Neuen Sachlichkeit habe als "neusachlicher" Künstler begonnen. Bei Otto Dix lagen zwischen Kriegsende 1918 und seiner Veränderung zu einer nüchternen, realistischen Malweise zwei Jahre intensiver künstlerischer Produktion, anders gearteter Kunst. Man erfährt im Rahmen des Essays Wissenswertes zur Entwicklung des Künstlers. Dix war neben George Grosz der führende Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Der psychische Schock der Kriegskatastrophe, die sich anschließende Krise und Verzweiflungsstimmung wurden dann für ihn zur Stimulanz für seine anklagende Botschaft als Maler und Grafiker.
1933 wurde Dix seiner Professur enthoben. Der Künstler erhielt Mal- und Ausstellungsverbot. Seine Werke wurde diffamiert. In diesem Jahr entstand das Werk "Die sieben Todsünden". Hier reitet Hitler auf einer Hexe seinem sicheren Untergang entgegen. 1936 zog sich Dix nach Schloss Randegg bei Singen, anschließend nach Hemmenhofen zurück und befasste sich mit Landschaftzeichnungen.
Im vorliegenden Kunstband werden dem Leser anhand von acht Essays unterschiedlicher Autoren Dix und sein Werk näher gebracht. Man liest von Christian Schade, einem weiteren Vertreter der neuen Sachlichkeit und dass man bei aller Unterschiedlichkeit zu Dix auch Parallelen finden könne. Beide nämlich teilten die Grundansicht, dass ein Künstler ein Zeuge seiner Zeit sei und in erster Linie berichten und weniger urteilen solle, (vgl.:S.37). Wie man erfährt, wurde der Malerei der neuen Sachlichkeit schon in den 1920er Jahre ein starker Bezug zum aktuellen Tagesgeschehen und zu sozialen Missständen in der Weimarer Republik zugesprochen. Während Dix die Zeitzeugenschaft ohne Schwierigkeiten belegt werden kann, soll dies bei Schad weitaus schwieriger sein. Die Gründe hierfür erfährt man auf S.43.
Änne Söll erläutert die Matrosenbilder von Otto Dix, die im Kontext seiner Beziehung zur Neuen Sachlichkeit als Zeichen für sein Interesse an der Darstellung von gesellschaftlichen Außenseitern behandelt werden. Im Unterschied zu seinen Bildern von Kriegsversehrten und Prostituierten, hat man es beim Matrosenthema nicht mit einer Kritik an den sozialen Missständen zu tun, sondern hier geht es um die neue Männlichkeit (vgl.: S.55).
Im Essay von Birgit Schwarz kann man sich in die Todsünden der Dix-Interpretation vertiefen und später dann auch noch Wissenswertes zur Rezeption der Neuen Sachlichkeit in den 1960-/1970 Jahren in Erfahrung bringen, bevor man die Werke in Augenschein nehmen kann.
Besonders begeistert mich das Triptychon mit dem Titel "Großstadt", das die 20er Jahre sehr gut darstellt. Die Prostituiertenbilder sind gewöhnungsbedürftig, die Kriegsbilder erschreckend, weitaus eindringlicher als Bilder seiner Kollegen Segieth und Radziwill, die man in Stuttgart offenbar auch sehen kann.
Wie man erfährt spielt das Porträt in der neuen Sachlichkeit eine wesentliche Rolle. Man hat die Möglichkeit viele Porträts und Bildnisse, die Otto Dix malte, kennenzulernen, aber auch Landschaftsbilder bleiben nicht ausgespart. Mich sprechen die Werke aus den 1920er Jahren am meisten an. Diese Gemälde halte ich für die mutigsten und aussagekräftigsten.
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