Dieses Blog durchsuchen

Rezension: J.M.W.Turner- Wolken- Das Skizzenbuch "Skies"

In vergangenen Zeiten waren Skizzenbücher auf Reisen ein unverzichtbares Accessoire der künstlerischen Praxis und stets griffbereit, wenn es darum ging, einen flüchtigen Eindruck festzuhalten. 

Der britische Künstler J.M.W.Turner (1775- 1851)  zeichnete sein ganzes Leben hindurch und malte Himmel, Wolken und Wetter. Seine anhaltende Konzentration auf den Himmel, die in seinem Skizzenbuch zum Ausdruck kommt, spiegelt vermutlich die eigentümlichen Wetterbedingungen der  damaligen Zeit wider. Diese hingen u.a. mit einem Vulkanausbruch im Jahre 1815 im heutigen Indonesien zusammen. Damals wurde eine gewaltige Staub- und Gaswolke in die Atmosphäre geschleudert und verdunkelte nahezu drei Jahre den Himmel, bzw. es entwickelte sich ein bedrohlich wirkender Schein unter dem Licht von Mond und Sonne. In der Folge kam es zu Missernten, Hungersnöten, Cholera und Typhus. Millionen von Menschen starben aufgrund dessen. In zahlreichen Ländern brachen Unruhen und Aufstände aus, die eine apokalyptische Endzeitstimmung erzeugten. 

1816 war das "Jahr ohne Sommer". Überall war das Wetter extrem schlecht. So war Turner gezwungen in England zu bleiben und malte eine Vielzahl von Aquarellen, die den Himmel unterschiedlich wiedergaben. 

Turners Skizzenbuch "Skies" führt den Betrachter in  jene Zeit und lässt den Betrachter erahnen, was die Menschen damals  wirklich umtrieb als er, der hochbegabte Aquarellmaler, mit sensitivem Gespür die Wolkenformationen beeindruckend skizzierte.

Den gezeigten Werken  geht eine  Einführung des Turner-Spezialisten David Blayney  Brown voraus, die für zum Verständnis  des Skizzenbuch überaus zweckdienlich ist.

Sehr empfehlenswert 

 Helga König

 Im Fachhandel erhältlich

Onlinebestellung: Hirmer oder Amazon
J.M.W. Turner - Wolken: Das Skizzenbuch "Skies"

Rezension: Goethe. Verwandlung der Welt - Kunst und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland-Prestel

Dies ist der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, die vom 17. Mai bis zum 15. September 2019 in der #Bundeskunsthalle in #Bonn gezeigt wird.

Nach einem Vorwort von #Hellmut_Seemann (Klassik Stiftung Weimar und #Rein_Wolfs (Bundeskunsthalle) hat man Gelegenheit seitens #Thorsten_Valk einen sehr eloquenten Essay zur Konzeption der Ausstellung zu lesen. 

Goethe sei während der vergangenen hundert Jahre vielfach aus einem epochengeschichtlichen Kontext herausgelöst und zu einem Vorbild stilisiert worden. Die Ausstellung und damit auch der vorliegende Katalog brechen mit dieser Tradition. Stattdessen erlebt man nun eine Form von Annäherung. Diese bringt den Aktualisierungsanspruch und das historische Bewusstsein in ein ausgewogenes Verhältnis. Das geschieht dadurch, dass drei verschiedene Ebenen der Vermittlung konsequent zusammengeführt worden sind.

Thorsten Valk nennt: 

1. Die Rekonstruktion kulturhistorischer, gesellschaftspolitischer und sozialgeschichtlicher Zusammenhänge im späten 18. wie frühen 19. Jahrhundert 
2. Die Reflektion einer mehr als 200- jährigen #Goethe- Rezeption, in deren wechselvoller Geschichte sich das Bild des Dichters immer wieder verändert hat. 
3. Die ästhetisch-hermeneutische orientierte Auseinandersetzung mit Goethes Werken vor dem Horizont unserer gegenwärtigen Lebensrealität. 

Nach Auffassung des Essayisten ermöglicht allein das Zusammenspiel dieser drei Ebenen, Beziehungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart herzustellen, mithin dialogische Konstellationen zu stiften und sich dem weltverwandelnden Potential der Kunst zu öffnen. 

Den  zahllosen Ausstellungsobjekten, die in den 10 Kapiteln des Buches zu bewundern sind, wurden zehn Essays unterschiedlicher Verfasser beigegeben. So werden bereits im ersten Kapitel Goethes Frankfurter Kindheit und seine frühen Bildungserlebnisse im Elternhaus Am Hirschgraben beleuchtet, zugleich aber auch die Entwicklung des Gebäudes zu einem kulturellen Erinnerungsort als auch dessen Zerstörung am 22. März 1944 sowie die kontroversen Debatten um einen originalgetreuen Wiederaufbau fokussiert. 

Das zweite Kapitel ist dem Briefroman "Die Leiden des jungen Werther" gewidmet. Hier geht es u.a. darum, dass dieses Buch zumeist jugendlichen Lesern und Leserinnen als identifikatorische Lektüre galt. Das Verhältnis der Geschlechter und auch Werthers Freitod kommen zur Sprache. Ein Exkurs ist dem Werther-Porzellan gewidmet, denn die Meißener Porzellan-Manufaktur befasste sich schon sehr früh Goethes Werther. 

Im dritten Kapitel geht es um Goethes anderthalbjährige Italienreise, reflektiert wird aber auch deren Bedeutung für die kollektive #Italiensehnsucht der Deutschen im 19. und 20 Jahrhundert. Darüber hinaus geht es noch um das von Goethe geschaffene Italienbild als Inspirationsquelle für Künstler wie Cy Thombly und Barbara Klemm.

Im vierten Kapitel steht die #Französische_Revolution im Fokus und das unter ihrem Eindruck entwickelte Kunstprogramm des #Weimarer_Klassizismus. Klassizistische Architektur in Zeiten der Revolution kommt ebenso zur Sprache wie das berühmte Weimarer #Rietschel_Denkmal, das Goethe und Schiller als "Klassiker" zeigen. 

Weiter geht es mit #Goethes_Farbenlehre und deren internationale Rezeption. Auch die Farbenlehre am #Bauhaus wird thematisiert und die Lichtkunst der Gegenwart. 

Zu den Texten kann man sich immer wieder in eine  bewundernswerte Fülle von Objekten vertiefen, so auch in einen handschriftlichen Text Goethes, der den Titel trägt "Freunde flieht die dunkle Kammer" und in die berühmte "#Temperamentenrose" von 1799. Einige tolle Farbbetrachtungen des Bauhauskünstler Johannes_Itten, auch ein Blatt aus der "Bildnerischen_Gestaltungslehre" von #Paul _Klee sind dabei. 

Die Kunst der #Romantik, auch die Dialoge mit dem #Orient sind Themen der #Ausstellung. Im achten Kapitel dann werden zahlreiche Plakate zu deutschen und ausländischen #Faust_Inszenierungen im 20. und 21. Jahrhundert gezeigt. Auf diese Weise soll vermittelt werden, dass im Wandel der Zeiten und im Wechsel der Gesellschaftssysteme immer wieder neue Perspektiven auf Goethes Drama entwickelt wurden und man neue Sinnschichten freizulegen beanspruchte. 

Das Haus am #Frauenplan wird im 9. Kapitel dann in Augenschein genommen. Hier erfährt man Wissenswertes zu Goethes Sammlungen und seinem Arbeitszimmer. 

Ziel der für die Ausstellung ist zentrale Begriff der "#Verwandlung" zunächst auf jene unabschließbaren Deutungsmetamorphosen, die Goethes Leben und Werk in ihrer 200 jährigen Rezeptionsgeschichte durchlaufen haben. Der Begriff charakterisiert aber auch jene historische Epoche, vor deren Horizont die Biografie des Weimarer Dichters zu betrachten ist.

Die Ausstellung überdenkt auch die "Verwandlung" der Welt im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert und die große "Verwandlung" der Welt, die Goethe zu seinen Lebzeiten nicht nur kritisch beobachtete, sondern auch reflektierte, korrespondierend mit der "Verwandlung", die Goethe als Schriftsteller vollzog.

Das großartige Werk macht neugierig auf die Ausstellung in Bonn. 

Maximal empfehlenswert 

Helga König .

Onlinebestellung bitte hier klicken: Prestel oder Amazon
Goethe: Verwandlung der Welt

Rezension: Freydal- Medieval Games- Das Turnierbuch Kaiser Maximilians I.- Stefan Kraus- TASCHEN

Dieser üppig illustrierte Prachtband mit Texten in englischer, deutscher und französischer Sprache ist eine unvergleichlich reiche, bis vor Kurzem allerdings nur begrenzt zugänglicher Bildquelle zu ritterlichen Spielen z. Z. Maximilians I. und erscheint anlässlich seines 500. Todestages erstmals als Nachdruck.

Bei dem sogenannten #Freydal, der zwischen 1512 und 1515 entstand, handelt es sich um das #Turnierbuch des deutschen Kaisers, das heute in Wien verwahrt wird und 255 gold- und silbergehöhte Miniaturen Maximilians bei Ritterspielen zeigt. 

Hier bricht der Kaiser eine Lanze, stößt Gegner vom Pferd, stürzt hin und wieder selbst, tanzt auf Kostümfesten, die nach Kämpfen stattfanden. 

#Freydal ist das größte erhaltene Turnierbuch des späten Mittelalters und Teil des Weltdokumentenerbes der #UNESCO. 

Bislang waren nur wenige der Miniaturen in Farbe verfügbar, doch nun ist diese kostbare Handschrift, die im Original in den Tresorschränken des Kunsthistorischen Museums in Wien liegt, erstmals für die Öffentlichkeit vollständig zugänglich. 

Das Turnier entstand im späten 11. Jahrhundert im Norden Frankreichs. Zunächst war es ein rein militärisches Training für die damals neu etablierte Waffenart der Lanze (bzw. des Reiterspießes). Dabei bestand das Problem beim Kampf mit der Lanze in der Koordination der mit dieser Waffe ausgestatteten Reiter. 

#Turniere waren der ideale Rahmen, um ritterliche Tapferkeit und Geschicklichkeit zur Schau zu stellen. So wurde das Turnier zum Schlüsselmoment des ritterlich- höfischen Lebens. Entstanden ist es mehr oder weniger mit der Ausformung des Rittertums. 

Grundlegend für das ritterliche Selbstverständnis sei ein #Tugendsystem gewesen, liest man in einem Essay, dass dem Bildteil vorangeht. Dieses System war geprägt von #Treue, #Ehre, #Tapferkeit, und der #Minne, dem höfischen Frauendienst. Es war dieser #Wertkodex, der die gesamte Hofgesellschaft, von Fürsten bis zum niederen Adel, von den Damen bis zur Geistlichkeit verband. Dabei war das Turnier die große Bühne des Rittertums. Sie fanden im Hoch- und Spätmittelalter an Reichstagen, Krönungen und Hochzeiten statt. 

Kaiser Maximilian I. (1459- 1519) gilt als einer der bedeutendsten Herrscher der europäischen Geschichte, der von Jugend an Turniere miterlebte. Er gilt als Erneuerer, ja sogar als Erfinder des Turniers in Deutschland und ließ nicht zuletzt in Büchern wie #Freydal (1512-1515) sein eigenes Leben in Form höfischer Heldenromane und Minnereden nacherzählen. Wissen muss man: #Maximilian ist der Held #Freydal und #Freydal ist #Maximilian. 

Freydal ist also eine Heldengeschichte und bildet den ersten Teil eines zweibändigen Buchprojektes, in welchem die Anbahnung der Hochzeit Maximilians I. mit Maria von Burgund nacherzählt wird. Darüber aber auch über den 2. Band mit dem Titel "#Theuerdank" kann man sich textlich im vorliegenden Werk genauer informieren. 

Der #Freydal soll ein anschauliches Beispiel für den Aufwand sein, den der Kaiser mit seinem Gedächtniswerk betrieb. Dabei sind in diesem Werk Realität und Fiktion auf vielschichtige Weise miteinander verbunden. 

In der Darstellung der Ausrüstung und des Ablaufes der Kämpfe sei das Werk aber bis ins kleinste Detail historisch akkurat. Von anderen Turnierbüchern unterscheidet es sich durch die große Anzahl von spektakulären Stürzen.  

Alle gezeigten Bilder werden näher beschrieben und so kann man sich immer mehr in diese Turnierfeste vertiefen und wird mit Begriffen vertraut, die man möglicherweise zuvor noch nie gehört hat. So liest man von einem Fußkampf mit #Glefen. Das sind Stangenwaffen mit der Klinge in Form eines Messers mit konvexer Schneide und kann in einer Miniatur genau sehen, was die beiden Kämpfer damit anstellten. 

Zwischendurch dann werden immer wieder Tanzszenen gezeigt- zur Erholung quasi- dann erlebt man beispielsweise einen Fußkampf mit #Dreschflegel und freut sich, dass die Ritter in Rüstungen stecken und sie vor allem ihre Helme am Kopf schützen. 

Um die Gunst der Damen zu erlangen, werden "#Moriskentänze" getanzt, bei denen seitens der Höflinge komplizierte Sprünge und Körperdrehungen auszuführen waren…Auch eine Form von Gymnastik....:-)) 

Unmöglich all die Kampfgerätschaften aufzuzählen. Männer und ihre Geschichte. Woher kommen sie mental eigentlich? Wohin bewegen sie sich? …

...und dann doch immer wieder #Mummereien, das waren Feste, bei denen die Teilnehmer durch Verkleidungen in bestimmte Rollen schlüpften und tanzten. Wunderschöne Kostüme lassen erahnen wie festlich es dabei zuging. Die meisten gezeigten Mummereien finden in Innenräumen statt, eine allerdings in einem Garten. Hier ziehen die Tänzer an der erhöhten Zuschauertribüne vorbei.

Natürlich lernt man die Gegner #Freydals alle mit Namen kennen. Alles, was damals im Adel Rang und Namen hatte, ist aufgezeichnet und den ein oder anderen darf man, von Maximilian auf den Boden gestreckt, bemitleiden. 

Irgendwann dann gelangt der Leser und Bildbetrachter zu einer #Mummerei, die Höflinge in osmanisch inspirierten Kostümen zeigt. Diese Miniatur gilt als eine der prachtvollsten des Buches. Ist es wohl auch. 

Um sich in die Zeit einzufühlen, ist es empfehlenswert, beim Betrachten der Bilder höfische Musik aus der Zeit zu hören, sich Bild für Bild nicht nur mit den Motiven und den Texten zu befassen, sondern auch mit den Farben. Sie spiegeln das Lebensgefühl bei Hofe damals vielschichtig wider und erinnern indirekt an Maria von Burgund.

Im Glossar zum Schluss kann man sich wesentlicher Begriffe, die im Zusammenhang mit den Turnieren eine Rolle spielen, vergegenwärtigen und weiß dann auch wie der Helmschmuck eines Turnierritters hieß. 

Kurzum : Das Buch ist ein Schatz ganz besonderer Art. 

Maximal empfehlenswert 

Helga König

Im Fachhandel erhältlich.

Onlinebestellung bitte hier klicken: TASCHEN oder Amazon
Freydal. Medieval Games. The Book of Tournaments of Emperor Maximilian I