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Rezension: Johann Gottfried Schadow-Berührende Formen--Hirmer



Dies ist der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung Johann Gottfried Schadow - Berührende Formen, die vom 21.10.2022 bis 19.02.2023 in der Alten Nationalgalerie in Berlin gezeigt wird. 

Nach einem Grußwort von Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung und einem Vorwort plus Dankesworten von Dr. Ralph Gleis, dem Direktor der Alten Nationalgalerie kann man sich in diesem Buch in eine Vielzahl interessanter Essays unterschiedlicher Autoren vertiefen, um mehr über die Exponate der Ausstellung zu erfahren. 

Die Essays sind drei großen Abschnitten untergeordnet und zwar:

Ikone-Die Prinzessinnengruppe, Original, Verbreitung und Wirkung 
Werkstatt-Werkgenese, Werkstattpraxis und Restaurierung 
International- Netzwerk und Rezeption. 

Wer war Johann Gottfried Schadow (1764-1850)? Der Hofbildhauer des damaligen Königs von Preußen. Dieser Künstler entwickelte einen eigenen klassizistischen Stil, dessen Kennzeichen eine entspannte Natürlichkeit war, die er, wie Dr. Gleis anmerkt, seinen geschaffenen Figuren einhauchte.

Dieser Künstler gestaltete die "Quadriga" auf dem Brandenburger Tor und das berühmte "Doppelstandbild der Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen." 

Im ersten Abschnitt erfährt man zunächst Wissenswertes über Schadows Weg zum Hofbildhauer und weiter, dass er mit 24 Jahren zur führenden Kraft des Berliner Bildhauerwesens aufstieg. Seine fluchtartige Abreise im Mai 1785 nach Rom habe es ihm erlaubt, seine Beziehung zu seiner Braut Marianne Devidels zu legalisieren. Die künstlerische Anlaufstelle Schadows in Rom sei das Bildhaueratelier Alexander Trippels gewesen. Das war eine der Privatakademien Roms und kunsttheoretisches Zentrum des deutsch-römischen Kreises. 

1787 kehre Schadow nach Berlin zurück und wurde als Hofbildhauer akkreditiert. In den folgenden Jahren dann habe der Künstler Werke von europäischem Rang geschaffen unter diesen "Das Grabmal des Grafen Alexander von der Mark", die "Quadriga" für das Brandenburger Tor sowie die "Prinzessinnengruppe". 

Yvette Deseyve zieht in ihrem Essay dann eine kunsthistorische Bilanz der Schadow´schen Formauffassung am Beispiel der "Prinzessinnengruppe". Hier liest man auch, dass für diesen Künstler weibliche Büsten, nach seinen Aussagen, "eine der schwersten Aufgaben der Kunst" seien. Das begründet er auch gut nachvollziehbar. Nachzulesen auf Seite 42. 

Man erfährt mehr über fliehende Gewänder und Falten im Winde der Skulptur "Prinzessinnengruppe". Hier werde die Faltengewandung zum Aussageträger. 

Sintje Guercke schreibt Wissenswertes über die Verbreitung von Johann Gottfried Schadows "Prinzessinnengruppe" in Porzellan, Grafik und Gips und den Reproduktionen im späten 19., 20 und 21. Jahrhundert. Dann liest man Näheres über Originalgipse im Essay von Veronica Tocha und schließlich auch Wissenswertes zum schriftlichen Nachlass des Künstlers im Zentral-Archiv der staatlichen Museen zu Berlin. 

Unmöglich an dieser Stelle alle Essays zu streifen. Man fiebert ja bekanntermaßen auf das Ausstellungskapitel zu und dies offenbart sich als Ort der Freude, weil man pausenlos staunen kann.

Die Nationalgalerie verfügt  nicht nur über den weltweit größten musealen Bestand an skulpturalen Werken des Bildhauers, sondern verfügt zudem über beide Originale der "Prinzessinnengruppe", das Originalgipsmodell aus der Werkstatt Schadow sowie den Marmor. 

Wunderschön ist die Büste der Saloniére Henriette Hertz, der ihr gemaltes Portrait von Anton Graff gegenübergestellt ist. Auch die Büste von Prinzessin Friederike von Preußen begeistert. Sie wurde, wie man erfährt in das lebensgroße Gipsmodel eingearbeitet. 

Kurz darauf schließlich  kann man das berühmte Doppelstandbild der Prinzessinnen vorder- und rückseitig bewundern. Wunderschön!

Beneidenswert jene, die dies alles im Original bewundern können! 

Skulpturen anderer Bildhauer, so etwa "Freundschaft und Harmonie" von Johann Heinrich von Dannecker, beeindruckende Zeichnungen und Studien und ein interessanter Beitrag zu der "Prinzessinnengruppe im Spiegel von Freundschaftsporträts" verdeutlichen einen neuen Blickwinkel im Hinblick auf Frauen als Individuen und "zugleich ihrer Zusammengehörigkeit durch Verschränkung der Körper mit ihren zarten und subtilen Arm- und Handhaltungen". 

Was noch? Im Anhang dann findet man eine chronologische Auflistung der Biografie plus Werk, die Auflistung des Katalogs der ausgestellten Werke und Kurzbiografien der Autoren, sowie Erläuterung der Abkürzungen und eine umfangreiche Literaturliste. 

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Kann ich das auch?- 50 Fragen an die Kunst-Kolja Reichert-Klett-Cotta


Der Autor dieses Buches, Kolja Reichert, erhielt 2012 den Preis für Kunstkritik der deutschen Kunstvereine und der Art Cologne. 2018 verlieh ihm die Berliner Akademie der Künste den Will-Grohmann-Preis. 

In seinem Buch stellt er 50 Fragen an die Kunst, die er alle detailliert beantwortet. Dabei lautet die erste Frage "Warum soll man dieses Buch lesen?"  Seine Antwort macht neugierig. 

Man muss das Werk nicht zwingend chronologisch lesen, sondern kann sich die Fragen herauspicken, die man vorrangig beantwortet wissen möchte. Vielleicht möchte man erst einmal etwas Grundsätzliches erfahren und lässt sich von Reichert deshalb aufklären, worum es in der Kunst geht. Hier erfährt man u.a., dass gelungene Kunstwerke eine Perspektive schaffen, einen Abstand, aus dem heraus man auf die Gegenwart und das eigene Leben blicken kann. Ein nicht uninteressanter Ansatz.

Impulse gibt es zu Hauf. Neugierig macht die Frage, was der Unterschied zwischen einem Kunstwerk und einem Buch darstelle und bemerkenswert sind die Betrachtungen im Hinblick auf Frage "Wie entsteht ein Werk?" Hier auch erfährt man, dass etwas wirklich Neues, Einzigartiges zu machen, unfassbar schwierig sei, sofern es alle bestehenden Maße hinter sich lasse. Da kann man nicht widersprechen. 

Gefallen hat mir auch ein Gedanke, im Rahmen der Antwort "Kann man Kunst lernen?" Da liest man, dass Kunst auf unendlich vielen Disziplinen beruhe, die es sich zu beherrschen lohne. Selbst jedoch sei sie keine Disziplin. Wenn, dann sei sie eine Disziplin, die darin bestehe, jede andere Disziplin hinter sich zu lassen und sich eine eigene Disziplin zu erfinden. 

Geld wird thematisiert, auch Kriminalität und es wird der Frage nachgegangen, wie frei die Kunst eigentlich ist. 

An einer Stelle im Buch, las ich die wunderbaren Sätze "Mit der Kunst fängt die Veränderung an. Was wir wahrnehmen und wie wir es wahrnehmen, das alles sind Echos von Kunst, die Energie der Brennstäbe, die in unseren Museen, Büchern oder Wohnungen glühen, wenn wir uns in sie vertiefen. Gute Werke verlassen einen nicht. Sie werden zu Orientierung, die Menschen am Leben hält, wenn sie durch die schlimmsten Krisen gehen." Ja, stimmt.

Weiter liest man dann "Auf Bildern, Romanen und Musik bauen Politik und Wissenschaft auf. Denn Künste schüren unsere Neugierde und formen die Fragen, die wir an die Welt stellen. Ohne Kunst laufen Politik wie Wissenschaft leer und reproduzieren nur, ohne verstehen zu können, was sie reproduzieren. Nur mit ästhetischer Freiheit kann es wirkliche Freiheit geben, denn nur sie lässt verstehen, wozu man frei sein möchte und wo die Freiheit einzelner in geteilte Freiheit übergeht. Jede Gesellschaft braucht deshalb das Spielbein der Künste." Dem ist nichts hinzuzufügen. 

Befassen wir uns also mit Kunst und den 50 Fragen, die Kolja Reichert diesbezüglich stellt. Vielleicht versucht man die Fragen erst einmal selbst zu beantworten, um zu erkennen, welche Bereicherung die klugen Antworten des Autors sind. 

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Isolde Maria Joham- Hirmer



Dies ist der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung "Isolde Maria Joham", die von 2. April bis 9. Oktober 2022 in der Landesgalerie Niederösterreich, Krems an der Donau gezeigt wird. 40 Jahre nach der ersten Malereiausstellung der Künstlerin im Wiener Palais Liechtenstein wird nun ihr Werk anlässlich ihres 90. Geburtstags in Krems gefeiert. Dabei geben Ausstellung und Katalog Einblick in sieben Jahrzehnte künstlerisches Schaffen.

Nachgezeichnet wird der Wandel von der Glaskunst zur Malerei der vielseitigen Künstlerin. Dabei soll in der Diskontinuität der Reiz der Vielschichtigkeit dieser Künstlerin begriffen werden, die in der Auseinandersetzung mit Pop-Art und Realismen unterschiedlicher Prägung eine eigenständige und darüberhinaus kraftvolle Stimme entwickelt habe, so Gerda Ridler, die künstlerische Direktorin, Landesgalerie Niederösterreich. 

Als Themen der Künstlerin werden genannt: die komplexe Relation von Natur und Technik, die verschwimmenden Grenzen zwischen Mensch und Maschine und das verführerische Potential der Oberfläche sowie der kapitalistischen Warenwelt. 

Gerda Ridler beginnt das vorliegende Werk mit Biographischem zu Isolde Maria Joham und verortet sie zunächst kunsthistorisch. Beschrieben wird ihre Kindheit und Jugend in der Steiermark und auch der Weg zum Studium an der Akademie für angewandte Kunst. Sie soll eine eifrige, sehr gute Studentin gewesen sein, die für ihre Abschlussarbeit den "Alfred-Roller-Preis"  erhielt. 

1954/55 war sie Assistentin bei ihrem ehemaligen Professor Eduard Bäumer und unterstützte ihn bei der Ausgestaltung des Rittersaals auf Burg Gutenfels in Kaub am Rhein. Dort soll sie ihre Mehrfachbegabung bereits dokumentiert haben. Ab 1956 hat sie die Stelle als Assistentin der Meisterklasse für angewandte Malerei und Graphik an der Akademie für angewandte Kunst in Wien inne und nach einem langen Weg vielfältigen Tuns wird sie 1972 zur provisorischen Professorin ernannt. 1993 erfolgt dann die Pensionierung der Professorin, die zuletzt in der Meisterklasse für Gestaltungslehre in der Abteilung für Kunstpädagogik angesiedelt war. 

Ihre Ehe mit dem Bildhauer Gottfried Höllwarth beflügelt sie in ihrem künstlerischen Tun. Obgleich die beiden in unterschiedlichen Genres arbeiten, verband sie eine gemeinsame künstlerische Haltung, so liest man, die einer Naturverbundenheit und einer Nähe zur asiatischen Philosophie entsprang. 

In den beiden Aufsätzen von Dieter Ronte und Alexandra Schantl erfährt man Näheres zur Standortbestimmung in Kulturpolitik und Kunstszene und über das Zukunftsweisende im scheinbar Unzeitgemäßen. 

Man hat bei allen Texten Gelegenheit, sich ausgiebig in die Bilderwelt der Künstlerin zu vertiefen. Schon 1982 thematisiert sie in einem ihrer Werke "Die Frage der Energie". 

Geradezu visionär erweise sich das Schaffen auf ein Thema, das sich seit den 1980er Jahren wie ein roter Faden durch ihr Werk zieht: gemeint "die Ambivalenz des technischen Fortschritts, die in der Utopie von künstlich geschaffenen Menschen zum Ausdruck kommt und sich realiter in Form des Roboters manifestiert."

Vier Aufsätze unterschiedlicher Autoren begleiten die Bilderwelt von Johams Malerei im Buch. Dabei lernt man zunächst ihre Landschaftsbilder, dann auch ihre hyperrealistischen Werke kennen, denen Joham sich in den 80er Jahren völlig zuwendet und die heute ihr Alleinstellungsmerkmal in der österreichischen Malereider Nachkriegskunst ausmachen.

Die leuchtenden Gebilde, die auf der Erde landen, sind eigentlich Erdbewohner, die dem Planeten  einst den Rücken zukehrten, um den Weltraum zu erobern. 

Man lernt auch Werke aus dem ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre kennen, die näher erklärt werden und kann sich mit ihrer Malerei im Spannungsfeld von Kulturgeschichte, Popkultur und Traum vom künstlichen Menschen mittels eines Aufsatzes von Günther Oberhollenzer näher beschäftigen. 

Auch das glas-künstlerische Schaffen von Isolde Maria Johan wird textlich ausführlich behandelt und anhand von Fotos visualisiert. Besonders beeindruckt bin ich von ihrem Glasmosaik  "Die Sonne", das zwischen 1970-1972 entstand. Es handelt sich um ein aus acht Teilen bestehendes Mosaik, das von einem Sonnenmotiv mit goldenen Flammen, umgeben von weiteren sonnenartigen Gebilden motiviert wird. Wunderschön! Ein Traum, der in der heutigen Welt nicht mehr stattfinden kann.

Eine chronologische Kurzbiographie und eine Auswahl der Bibliografie plus Filme und Kurzbiographien der Autorinnen und Autoren sowie Übersetzungen der Texte im Buch ins Englische runden das hervorragende Werk, das eine großartige Künstlerin würdigt, ab.

Maximal empfehlenswert. 

Helga König

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Rezension: Ansehen! Kunst und Design von Frauen-1880-1940- Hirmer



Dies ist der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung mit dem Titel "Ansehen! Kunst und Design von Frauen 1880-1940", die noch bis zum 4. September 2022 im Bröhan-Museum in Berlin gezeigt wird. 

Nach einem Grußwort von Dr. Tobias Hoffmann, dem Direktor des Bröhan-Museums folgt eine kurze Einführung der Kuratorinnen Anna Großkopf und Julia Meyer-Brehm. Hier erfährt man, dass das Ziel der Ausstellung und des Katalogs darin bestehe, die heute teils noch kaum bekannten Künstlerinnen und Werke zu rekontextualisieren sowie in künstlerische Strömungen und Diskurse ihrer Zeit einzuordnen. Dabei werden die Biografien der Künstlerinnen in den Vordergrund gerückt, konkret die Lebensumstände, individuellen und institutionellen Voraussetzungen, Ausbildungswege, Strategien, Berufsauswahl und-perspektiven. 

Die Ausbildungswege fast aller Damen waren problematisch, da ihnen Kunstakademien und ähnliches lange Zeit verschlossen geblieben sind. Seitens der damaligen Presse wurden die Künstlerinnen abgelehnt. Man sprach despektierlich von "Weiberkunst". 

Vorgestellt werden 34 Künstlerinnen, die nachstehenden Rubriken zugeordnet sind: 

Skandinavische Porzellankünstlerinnen 
Dekorkünstlerinnen in Sèvres 
Künstlerinnen der Berliner Secession 
Möbeldesignerinnen in Dresden 
Frauen der Wiener Moderne 
Keramikerinnen in der Weimarer Republik 
École de Paris 
Mode- und Textildesignerinnen 
Silberschmiedinnen und Metallgestalterinnen
Designerinnen der KPM 
Frauen im Neuen Frankfurt. 

Fotos von den Damen und einzelne Werke begleiten die ausführlichen Texte. Dort findet man beispielsweise in der Rubrik Künstlerinnen der Berliner Secession Julie Wolfthorn, die Anfang des 20. Jahrhunderts zu den bekanntesten Künstlerinnen Deutschlands zählte. Auch Käthe Kollwitz ist in dieser Rubrik vertreten. Sie war die einzige Künstlerin der Berliner Secession, die sich wirklich in der Kunstgeschichte erfolgreich etablieren konnte. 

Beeindruckend ist die Vielfalt des Schaffens der vertretenen Damen, auch im Bereich von Design und wunderschön die Objekte der Designerin Sylvia Stave (1908-1994), die bekannt ist für minimalistisches Design und runde geometrische Formen.

Zu bestaunen gibt es viel in diesem Katalog, auch bei den Mode- und Textildesignerinnen, doch überzeugen Sie sich bitte selbst!

Sehr empfehlenswert! 

Helga König 

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