Bildbände über New York gibt es zweifellos zuhauf. Manche sind hervorragend und ausdrucksstark, viele sind eher nichtssagend und erinnern mehr an Postkarten, als dass sie einen künstlerischen Wert ausstrahlen.
Der vorliegende Band von Serge Ramelli, soeben im teNeues Verlag erschienen, gehört zweifellos zu der ersten Kategorie. Warum ist das so? Dies zu erfahren, gibt es zwei Herangehensweisen. Zunächst lässt man die Aufnahmen einfach auf sich wirken, ohne zu versuchen sie intellektuell zu erfassen.
Wir sehen großformatige Fotografien von zufällig aufgenommenen Szenerien aus dem Großstadtleben von Manhattan, Stillleben-gleich. Da alles in Schwarz-Weiß abgelichtet wurde, ist so eine Aura entstanden, wie sie in der Zeit der 40- und 50er Jahre des letzten Jahrhunderts gegenwärtig war.
Es werden überwiegend Bilder von Brücken und Wohngebäuden gezeigt, oftmals schon hundert Jahre alt, gelegentlich auch aus moderneren Zeiten. Kurzum der erste visuelle Eindruck vermittelt ein Bild des New York zu Beginn des letzten Jahrhunderts.
Der zweite Schritt um die künstlerische Arbeit des Autodidakten Serge Ramelli zu entdecken, er hat keine professionelle Ausbildung genossen, sondern hat als Angestellter in Paris die Fotografie als leidenschaftliches Hobby betrieben, ist die intellektuelle Auseinandersetzung mit seinem Bildwerk. Dabei fällt sofort auf, dass Ramelli fast ausschließlich Szenerien abgelichtet hat, die nahezu menschenleer sind, an sich schon eine Kunst in Manhattan, bis auf die Aufnahmen am Times Square, wo bekanntlich New York niemals schläft.
Die Gebäude und Brücken, der Central Park und Aufnahmen im Finicial District, um die Wall Street herum, in Soho oder in Greenich village, überall werden die steinernen Monumente, Skulpturen-gleich thematisiert. Dabei spielen die Lichtreflexe eine ganz besondere Rolle. Gerade bei Schwarz-Weiß-Ablichtungen ist es für jeden professionellen Fotografen eine künstlerische Herausforderung, wie er seinen Aufnahmen das ganz besondere Etwas gibt, einmal durch entsprechende Schärfe, oder wieder auch der Möglichkeit, das Abgelichtete im Nebulösen, gar Diffusen entrücken zu lassen.
Hier zeigt sich wer wirklich der Meister seines Faches ist, und dies versteht Serge Ramelli geradezu meisterlich. Um diesen künstlerischen Ansatz zu vertiefen, sind seine Aufnahmen oftmals in ein regnerisches Grau gehüllt, was die Atmosphäre eindeutig noch intensiviert, selbst die glitzernde Leuchtreklame am Times Square erhält so etwas Unnahbares, geradezu Majestätisches, ganz im Gegenteil zu der schreienden Realität.
Es ist das gleiche New York, das man aus unzähligen Filmen und Bildern kennt und doch ist es in der fotografischen Betrachtungsweise von Serge Ramelli völlig entrückt. Wenn man sich öfters in New York aufgehalten hat, erkennt man auch die einzelnen Motive wieder, abseits der großen touristischen Anziehungspunkte.
Aber alles erscheint viel stiller, ruhiger und irgendwie abgehoben, aber auch etwas verloren, wie in einem Stummfilm in Schwarz-Weiß, der abrupt stehen geblieben ist. Dies ist wirklich ein ganz besonderer individueller Eindruck, der zudem nachdenklich macht. Das Ergebnis zeigt, dass der Fotograf es phantastisch geschafft hat, den Betrachter auf seine künstlerische Reise mitzunehmen, um ihm einmal ein New York aus einem ganz anderen Blickwinkel nahezubringen. Dies ist Serge Ramelli hervorragend gelungen, deshalb gehört dieser Bildband auch zu den außergewöhnlichen.
Wie immer bei teNeues ist dieses Kunstbuch von bester Qualität im Bereich der Hochglanz-Fotografie. Natürlich animiert die Aufnahme auf dem Cover vom "Singenden Cowboy" am Times Square, eine Institution und weltbekannte Attraktion, sich weiter mit diesem außergewöhnlichen Bildband zu befassen.
Das ausgiebige Vorwort von Harald Hinsinger sorgt vorab schon für die Hintergrundinformationen, die für das Verständnis der Aufnahmen generell hilfreich sind. Die Fotografien selbst werden nicht unmittelbar kommentiert, damit der Betrachter sich ganz ungeteilt in den Bann des Gezeigten ziehen lassen kann. Ganz am Ende des Buches finden sich aber dann doch noch einmal die gezeigten Aufnahmen im Kleinformat wieder, mit der konkreten Ortsangabe, sodass jeder New York-Kundige sein Wissen bestätigt findet. Alles in Allem kurzum eine künstlerische Besonderheit vom Big Apple und ein gelungenes Werk des Fotografen Serge Ramelli.
Sehr empfehlenswert
Peter J. König
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