Der Fotograf CHRISTIAN TAGLIAVINI wurde 1971 geboren. Er wuchs in Italien und der Schweiz auf. Vor seiner fotografischen Karriere arbeite er in Architektur- und Ingenieurbüros und war als Grafikdesigner tätig. Dies schlägt sich in seiner universalen Herangehensweise bei seinen Arbeiten nieder.
Im einleitenden Text dieses beeindruckenden Werkes werden dem Leser die Hintergründe Tagliavinis Bilderwelt näher gebracht. Hier werden zunächst die Gemälde des florentinischen Malers Fra Filippo Lippi erwähnt, dessen Kunst nicht nur seinen Schüler Sandro Botticelli beeinflusste, sondern auch nachhaltig auf den Stil von Michel Angelo und Leonardo da Vinci wirkte.
Der Portraitfotograf Christian Tagliavini nimmt mit seinen inszenierten Portraitfotografien Bezug auf Werke der Maler der Renaissance, besonders auf jene von Fra Filippo Lippi, deshalb gibt es auch die Voraberläuterungen im Buch.
Der ästhetische Ansatz von Christian Tagliavini lautet: "Ich nutze die bekannten Vorlagen in gewisser Weise nur als Hintergrundfolie. Ich will keine authentischen Nacherzählungen schaffen. Meine Bilder sind keine direkten Adaptionen, eher schon freie Assoziationen."
Dem Fotograf geht es um zeitgemäße Neuinterpretationen alter kulturhistorischer Muster, sei es durch Farben, den Kopfschmuck oder was auch immer. Fakt ist, Tagliavini möchte mit seinen gewöhnlichen und lebensnahen Modellen das Erhabene darstellen. Seine Darsteller sind Laien. Er steckt sie für seine Fantasien in fremde Rollen, um sie sie in malerisch-meditative Versenkung fallen zu lassen.
Die Texte im Buch sind in englischer, deutscher und französischer Sprache abgedruckt, so auch die Erläuterungen zur Manufaktur der Bilder, die Tagliavini betreibt.
Die Modelle wirken alle wie aus einer anderen Zeit, was nicht nur mit den Fantasiekostümen sondern auch mit deren oft verschlossen erscheinenden Blicken zusammenhängt. Diese sind ernst und nicht selten ausdruckslos-ausdrucksstark zugleich. Die Modelle sind nicht nur in Fantasiekostüme gesteckt die an Kleidung der Renaissance erinnern, wie etwa solche der damaligen Pestärzte oder der Damen mit elisabethanischer Halskrause, sondern auch in Kleidung des späten 19. Jahrhunderts oder der 1930er Jahre und solcher, die man in der Zukunft vermutet.
Jedes Bild erzählt eine surreale Geschichte und macht zudem Charaktere sichtbar wie sie zu allen Zeiten existiert haben. Viel Arroganz ist im Spiel, viel Manieriertheit, viel Unnatürlichkeit, doch dann gibt es auch andere Modelle, wie beispielsweise jenes auf dem Titelbild, das durch Sensibilität und skeptischem Liebreiz berührt und keinen Hochmut erkennen lässt. So wünscht man sich alle Menschen, doch leider findet man sie selten.
Dies ist ein schöner wirklich gelungener Fotoband, der zum Nachdenken und Staunen anregt.
Sehr empfehlenswert.
Helga König
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