Die promovierte Kunsthistorikerin Frances Borzello bereichert anhand von 200 Künstlerinnen und ihren Werken- vom Mittelalter bis in die Gegenwart, von Handschriftillustrationen über Malerei und Skulptur bis zu Fotografie und feministisch geprägter Performance die Kunstgeschichte um ein neues Kapitel.
Dabei betont die Autorin eingangs, dass Selbstporträts niemals bloß eine harmlose Wiedergabe des Bildes sind, das eine Person sieht, sobald sie in den Spiegel blickt, sondern vielmehr Teil der Sprache, deren sich die Malerei bedient, um zu kommunizieren: vom simplen "So sehe ich aus" bis hin zum komplizierten "Daran glaube ich".
Die Beweggründe für Selbstbildnisse sind unterschiedlich und jene zwischen Männern und Frauen unterscheiden sich nochmals voneinander. Einige Unterschiede sind zeitbedingt. So war das 16. Jahrhundert die Blütezeit der Musikerinnen-Bilder und zu Ende des 19. Jahrhunderts gab es vor allem Mütter-Darstellungen.
Borzello versucht die Bilder zu entschlüsseln, indem sie diese als gemalte Autobiografie betrachtet, sprich als Mittel, mit dem die Künstlerin der Öffentlichkeit etwas erzählen konnte. In der Bildsprache eines Selbstporträts liest man -Pose, Gesten, Gesichtsausdruck und Attribute- und kann diese mit den Vorstellungen der jeweiligen Zeit vergleichen.
Die Nachfragen nach Selbstporträts soll sich in der Renaissance entwickelt haben. Nicht selten dienten diese Selbstporträts einem ähnlichen Zweck wie heute die Fotografie, doch sie waren auch für die Werbung gedacht.
Malerinnen lebten damals einer Art Parallelwelt zur Männerwelt. Darüber erfährt man Näheres und auch, dass jene Frauen mit genügend Energie, Talent und Unterstützung einen Weg in besagter Parallelwelt finden konnten. Dabei war es weitaus komplizierter mit nicht greifbaren Vorurteilen umzugehen, beginnend mit Klischees über Frauenkunst bis hin zu herablassenden Meinungen über die künstlerischen Fähigkeiten von Frauen.
Die Kunstwelt blieb lange eine männliche Domäne. Erst vor kurzem hat sich dies geändert.
Das Leben in der Parallelwelt beeinflusste allerdings die Selbstporträts der Frauen. Dabei vermochte keine Künstlerin sich es zu leisten, die Regeln zulässiger weiblicher Gestik und Kleidung zu ignorieren. Viele Konventionen mussten die Malerinnen berücksichtigen, um dem Spott zu entgehen.
Im Buch werden im Rahmen von sechs Kapiteln die einzelnen Epochen weiblicher Selbstdarstellung beleuchtet. Beginnend mit den Anfängen im 16. Jahrhundert bis zu dem Tabubrüchen des 20. Jahrhunderts und endend mit einem Blick in die Zukunft.
Auf die 200 Künstlerinnen und ihre Werke hier näher einzugehen, führt allerdings zu weit.
Borzello fordert auf, Frauen-Selbstbildnisse als eigene Bildgattung zu würdigen und nennt die Gründe hierfür.
Im Hier und Heute findet durch das "Selfie" eine Demokratisierung des Selbstporträts statt. Dabei sei es denkbar, dass sich das "Kunst-Selfie" als reizvolles Medium entpuppen könne, das selbstkritisch und auch lustig daherkomme.
Alles in allem, ein interessantes Buch mit vielen beeindruckenden Bildern von Frauen, die Neugierde erzeugen. So auch das Selbstporträt von Angelica Kauffmann, 1787, einer schöne Frau, die Goethe gewiss sehr gefallen hat.
Sehr empfehlenswert.
Helga König
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